Ein Trauerspiel in fц?nf Aufzц?gen

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     Personen:
     Margarete von Parma, Tochter Karls des Fц?nften,
     Regentin der Niederlande
     Graf Egmont, Prinz von Gaure
     Wilhelm von Oranien
     Herzog von Alba
     Ferdinand, sein natц?rlicher Sohn
     Machiavell, im Dienste der Regentin
     Richard, Egmonts Geheimschreiber
     Silva und Gomez, unter Alba dienend
     Klц?rchen, Egmonts Geliebte
     Ihre Mutter
     Brackenburg, ein Bц?rgerssohn
     Soest, Krц?mer, Bц?rger von Brц?ssel
     Jetter, Schneider, Bц?rger von Brц?ssel
     Zimmermann und Seifensieder, Bц?rger von Brц?ssel
     Buyck, Soldat unter Egmont
     Ruysum, Invalide und taub
     Vansen, ein Schreiber
     Volk, Gefolge, Wachen usw.


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     Erster Aufzug
     Armbrustschieц?en
     Soldaten und Bц?rger mit Armbrц?sten
     Jetter,  Bц?rger  von Brц?ssel, Schneider,  tritt  vor und  spannt  die
Armbrust. Soest, Bц?rger von Brц?ssel, Krц?mer.
     Soest. Nun schieц?t nur  hin, daц?  es alle  wird! Ihr nehmt mir's doch
nicht!  Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht  geschossen. Und so
wц?r' ich fц?r dies Jahr Meister.
     Jetter. Meister  und Kцnig  dazu.  Wer  miц?gцnnt's  Euch? Ihr  sollt
dafц?r auch  die Zeche  doppelt  bezahlen;  Ihr sollt  Eure Geschicklichkeit
bezahlen, wie's 'recht ist.
     (Buyck, ein Hollц?nder, Soldat unter Egmont.)
     Buyck.  Jetter,  den Schuц?  handl'  ich  Euch ab, teile  den  Gewinst,
traktiere  die  Herren:   ich  bin  so  schon  lange  hier  und  fц?r  viele
Hцflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hц?ttet.
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     Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei.  Doch,
Buyck, nur immerhin.
     Buyck (schieц?t). Nun, Pritschmeister, Reverenz!  -  Eins! Zwei!  Drei!
Vier!
     Soest. Vier Ringe? Es sei!
     Alle. Vivat, Herr Kцnig, hoch! und abermal hoch!
     Buyck. Danke, ihr Herren. Wц?re Meister zu viel! Danke fц?r die Ehre.
     Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken.
     (Ruysum, ein Frieslц?nder, Invalide und taub.)
     Ruysum. Daц? ich euch sage!
     Soest. Wie ist's, Alter?
     Ruysum. Daц? ich euch sage!  - Er  schieц?t wie sein  Herr, er schieц?t
wie Egmont.
     Buyck.  Gegen  ihn  bin  ich nur ein armer Schlucker.  Mit der  Bц?chse
trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er Glц?ck oder gute
Laune hat; nein! wie er  anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe
ich von ihm. Das wц?re auch ein Kerl, der bei ihm diente  und nichts von ihm
lernte.  - Nicht zu vergessen, meine  Herren! Ein Kцnig nц?hrt seine Leute;
und so, auf des Kцnigs Rechnung, Wein her!
     Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daц? jeder -
     Buyck. Ich bin fremd  und  Kцnig, und achte eure Gesetze und Herkommen
nicht.
     Jetter.  Du bist ja ц?rger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher
lassen mц?ssen.
     Ruysum. Was?
     Soest  (laut).  Er will  uns gastieren;  er will nicht haben,  daц? wir
zusammenlegen und der Kцnig nur das Doppelte zahlt.
     Ruysum. Laц?t ihn! doch ohne  Prц?judiz! Das ist auch seines Herrn Art,
splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht.
     (Sie bringen Wein.)
     Alle. Ihro Majestц?t Wohl! Hoch!
     Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure Majestц?t.
     Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll.
     Soest.  Wohl! Denn unserer spanischen Majestц?t Gesundheit trinkt nicht
leicht ein Niederlц?nder von Herzen.
     Ruysum. Wer?
     Soest (laut). Philipps des Zweiten, Kцnigs in Spanien.
     Ruysum. Unser allergnц?digster Kцnig und Herr!  Gott  geb'  ihm langes
Leben.
     Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den Fц?nften, nicht lieber?
     Ruysum. Gott trцst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand ц?ber den
ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch  begegnete, so
grц?ц?t'  er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart,
wuц?t' er mit so guter Manier - ja, versteht  mich -  Er ging aus, ritt aus,
wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir  doch alle geweint, wie er
seinem Sohn  das  Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich -  der ist
schon anders, der ist majestц?tischer.
     Jetter. Er  lieц? sich  nicht  sehen, da er hier war,  als in Prunk und
kцniglichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute.
     Soest. Es ist kein Herr fц?r uns  Niederlц?nder. Unsre Fц?rsten mц?ssen
froh  und frei  sein  wie  wir, leben  und  leben  lassen. Wir wollen  nicht
verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind.
     Jetter. Der Kцnig, denk  ich, wц?re  wohl ein gnц?diger Herr, wenn  er
nur bessere Ratgeber hц?tte.
     Soest. Nein,  nein!  Er  hat kein Gemц?t gegen uns  Niederlц?nder, sein
Herz ist  dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie kцnnen  wir  ihn
wiederlieben? Warum ist alle Welt dem  Grafen Egmont so hold? Warum  trц?gen
wir ihn alle auf den  Hц?nden?  Weil man ihm ansieht, daц? er uns  wohlwill;
weil ihm die Frцhlichkeit, das freie Leben, die  gute Meinung aus den Augen
sieht; weil er nichts  besitzt,  das er dem Dц?rftigen nicht mitteilte, auch
dem, der's nicht bedarf. Laц?t  den  Grafen  Egmont leben!  Buyck,  an  Euch
ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus.
     Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch!
     Ruysum. ц?berwinder bei St. Quintin.
     Buyck. Dem Helden von Gravelingen!
     Alle. Hoch!
     Ruysum. St. Quintin  war meine  letzte Schlacht.  ich konnte  kaum mehr
fort, kaum die schwere Bц?chse mehr schleppen.  Hab  ich doch  den Franzosen
noch eins auf den Pelz  gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen
Streifschuц? ans rechte Bein.
     Buyck. Gravelingen!  Freunde!  da  ging's frisch!  Den  Sieg  haben wir
allein. Brannten und  sengten die welschen Hunde nicht durch ganz  Flandern?
Aber ich mein,  wir trafen sie! Ihre alten, handfesten  Kerle  hielten lange
wider,  und  wir drц?ngten  und schossen  und  hieben, daц? sie  die Mц?uler
verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe
niedergeschossen,  und wir stritten lange hinц?ber herц?ber, Mann fц?r Mann,
Pferd gegen Pferd, Haufe  mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See
hin.  Auf einmal  kam's, wie  vom  Himmel  herunter,  von der  Mц?ndung  des
Flusses,  bav, bau!  immer mit  Kanonen  in  die  Franzosen drein.  Es waren
Englц?nder, die  unter dem Admiral  Malin von  ungefц?hr von Dц?nkirchen her
vorbeifuhren.  Zwar  viel  halfen sie  uns  nicht; sie  konnten nur mit  den
kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter
uns - Es tat  doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's!
Rick!  rack!  herц?ber,  hinц?ber!  Alles  totgeschlagen, alles  ins  Wasser
gesprengt. Und die  Kerle ersoffen, wie sie das Wasser  schmeckten;  und was
wir Hollц?nder  waren, gerad hintendrein. Uns,  die wir beidlebig sind, ward
erst  wohl  im Wasser  wie den  Frцschen;  und immer  die  Feinde im  Fluц?
zusammengehauen, weggeschossen  wie  die  Enten.  Was  nun  noch durchbrach,
schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und  Mistgabeln tot.
Muц?te  doch die  welsche Majestц?t gleich  das Pfцtchen reichen und Friede
machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem groц?en Egmont schuldig.
     Alle. Hoch!  dem  groц?en Egmont  hoch! und  abermal hoch! und  abermal
hoch!
     Jetter. Hц?tte  man uns den statt  der Margrete  von Parma zum Regenten
gesetzt!
     Soest.  Nicht so!  Wahr  bleibt  wahr! Ich  lasse mir  Margareten nicht
schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnц?d'ge Frau!
     Alle. Sie lebe!
     Soest.  Wahrlich,  treffliche  Weiber sind  in dem  Hause. Die Regentin
lebe!
     Jetter. Klug ist  sie, und mц?ц?ig in allem, was  sie tut; hielte sie's
nur nicht so steif und fest mit den  Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld,
daц? wir  die vierzehn neuen Bischofsmц?tzen im  Lande  haben. Wozu  die nur
sollen? Nicht wahr,  daц? man Fremde in die guten Stellen  einschieben kann,
wo sonst  ц'bte aus den Kapiteln gewц?hlt wurden? Und wir sollen glauben, es
sei um der Religion willen.  Ja, es hat  sich. An drei Bischцfen hatten wir
genug: da ging's  ehrlich und ordentlich  zu. Nun muц?  doch auch jeder tun,
als  ob er  nцtig wц?re;  und  da  setzt's  allen  Augenblick Verdruц?  und
Hц?ndel.  Und je mehr ihr das Ding  rц?ttelt  und schц?ttelt,  desto trц?ber
wird's.
     (Sie trinken.)
     Soest. Das  war  nun des Kцnigs  Wille;  sie  kann nichts  davon- noch
dazutun.
     Jetter. Da  sollen  wir  nun die neuen  Psalmen nicht singen. Sie  sind
wahrlich gar schцn in Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die
sollen wir nicht singen, aber Schelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum?
Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiц?.  Ich hab  ihrer
doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts drin gesehen.
     Buyck. Ich  wollte sie fragen!  In unsrer  Provinz  singen wir, was wir
wollen. Das macht, daц? Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so
etwas  nicht. - In Gent, Ypern, durch  ganz Flandern singt sie, wer Belieben
hat.  (Laut.)  Es  ist  ja wohl nichts  unschuldiger als ein geistlich Lied?
Nicht wahr, Vater?
     Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung.
     Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre
Art;  und gefц?hrlich  ist's  doch  immer, da lц?ц?t man's lieber sein.  Die
Inquisitionsdiener  schleichen herum und passen  auf;  mancher ehrliche Mann
ist schon unglц?cklich geworden.  Der  Gewissenszwang fehlte  noch!  Da  ich
nicht tun  darf,  was  ich mцchte, kцnnen sie mich doch denken und  singen
lassen, was ich will.
     Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die
Spanier,  unser  Gewissen  tyrannisieren zu lassen.  Und der Adel  muц? auch
beizeiten suchen, ihr die Flц?gel zu beschneiden.
     Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfц?llt,  in mein
Haus  zu stц?rmen, und ich  sitz  an  meiner  Arbeit  und summe  just  einen
franzцsischen Psalm und  denke  nichts dabei, weder Gutes noch  Bцses; ich
summe ihn  aber, weil er mir in der Kehle ist: gleich bin ich ein Ketzer und
werde  eingesteckt.  Oder ich gehe ц?ber  Land und bleibe  bei  einem Haufen
Volks stehen,  das einem  neuen Prediger  zuhцrt, einem von denen,  die aus
Deutschland gekommen sind: auf  der Stelle heiц? ich ein Rebell und komme in
Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hцren?
     Soest. Wackre Leute. Neulich hцrt' ich einen auf dem Felde vor tausend
und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander Gekцch, als wenn unsre auf
der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit  lateinischen Brocken  erwц?rgen.
Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hц?tten bei der Nase
herumgefц?hrt,  uns in  der Dummheit erhalten, und wie wir mehr  Erleuchtung
haben kцnnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel.
     Jetter. Da  mag doch auch was  dran  sein. Ich sagt's  immer selbst und
grц?belte so ц?ber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen.
     Buyck. Es lц?uft ihnen auch alles Volk nach.
     Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hцren kann und was Neues.
     Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen
nach seiner Weise.
     Buyck.  Frisch, ihr Herren! ц?ber dem Schwц?tzen vergeц?t ihr  den Wein
und Oranien.
     Jetter. Den nicht zu vergessen. Das  ist ein rechter Wall: wenn man nur
an  ihn denkt, meint man gleich,  man kцnne sich  hinter ihn verstecken und
der Teufel brц?chte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch!
     Alle. Hoch! hoch!
     Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit.
     Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
     Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!
     Jetter. Krieg! Krieg! Wiц?t ihr auch, was ihr ruft? Daц? es euch leicht
vom Munde geht, ist wohl natц?rlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute
ist, kann ich  nicht sagen.  Das ganze  Jahr  das  Getrommel  zu hцren; und
nichts zu hцren, als wie da  ein Haufen gezogen kommt und dort ein  andrer,
wie sie ц?ber  einen Hц?gel kamen und  bei einer Mц?hle  hielten, wieviel da
geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drц?ngen, und  einer gewinnt,
der  andere verliert, ohne daц? man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder
verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die Bц?rger ermordet  werden, und
wie's den armen Weibern, den unschuldigen  Kindern ergeht. Das ist eine  Not
und Angst, man denkt jeden  Augenblick: б'Da kommen sie!  Es geht  uns  auch
so.б'
     Soest. Drum muц? auch ein Bц?rger immer in Waffen geц?bt sein.
     Jetter. Ja, es ц?bt sich, wer Frau  und  Kinder hat. Und doch  hцr ich
noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe.
     Buyck. Das sollt' ich ц?belnehmen.
     Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir  die spanischen
Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem.
     Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf?
     Jetter. Vexier' Er sich.
     Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir.
     Jetter. Halt dein Maul.
     Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der  Kц?che, dem Keller, der Stube
- dem Bette.
     (Sie lachen.)
     Jetter. Du bist ein Tropf.
     Buyck. Friede, ihr Herren! Muц? der Soldat  Friede rufen?  - Nun da ihr
von uns nichts  hцren  wollt, nun  bringt  auch eure Gesundheit  aus,  eine
bц?rgerliche Gesundheit.
     Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe!
     Soest. Ordnung und Freiheit!
     Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden.
     (Sie  stoц?en an und  wiederholen frцhlich  die  Worte,  doch so, daц?
jeder ein  anders ausruft und es eine  Art  Kanon wird. Der Alte  horcht und
fц?llt endlich auch mit ein.)
     Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!
     Palast der Regentin
     Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente.
     Regentin.  Ihr stellt  das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten.  Sagt
Machiavellen, er soll zu mir kommen.
     (Alle gehen ab.)
     Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten lц?ц?t mir keine Ruhe!
Nichts kann mich ergetzen, nichts mich zerstreuen;  immer sind diese Bilder,
diese  Sorgen  vor  mir. Nun  wird der  Kцnig sagen, dies sei'n  die Folgen
meiner  Gц?te, meiner  Nachsicht;  und doch  sagt  mir mein  Gewissen  jeden
Augenblick, das Rц?tlichste, das Beste getan  zu haben.  Sollte  ich frц?her
mit dem  Sturme  des Grimmes diese  Flammen  anfachen und umhertreiben?  Ich
hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschц?tten. Ja, was ich mir
selbst sage, was ich wohl weiц?, entschuldigt mich vor  mir selbst; aber wie
wird es mein Bruder aufnehmen? Denn,  ist  es zu  leugnen? Der  ц?bermut der
fremden  Lehrer  hat  sich  tц?glich  erhцht;  sie  haben  unser  Heiligtum
gelц?stert, die stumpfen Sinne des Pцbels zerrц?ttet und den Schwindelgeist
unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die Aufrц?hrer gemischt,
und schreckliche Taten sind geschehen,  die  zu denken schauderhaft ist, und
die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und  einzeln, damit
mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der Kцnig nicht  denke,  man
wolle  noch  mehr  verheimlichen. Ich sehe kein Mittel,  weder strenges noch
gelindes, dem ц?bel zu  steuern. O was sind  wir  Groц?en  auf der Woge  der
Menschheit? Wir  glauben sie  zu  beherrschen,  und sie treibt uns  auf  und
nieder, hin und her.
     (Machiavell tritt auf.)
     Regentin. Sind die Briefe an den Kцnig aufgesetzt?
     Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben kцnnen.
     Regentin. Habt Ihr den Bericht ausfц?hrlich genug gemacht?
     Machiavell. Ausfц?hrlich und umstц?ndlich, wie es der Kцnig liebt. Ich
erzц?hle, wie zuerst um St. Omer die bilderstц?rmerische Wut sich zeigt. Wie
eine  rasende  Menge,  mit  Stц?ben,  Beilen,  Hц?mmern,  Leitern,  Stricken
versehen,  von  wenig  Bewaffneten begleitet,  erst  Kapellen,  Kirchen  und
Klцster  anfallen,  die  Andц?chtigen verjagen,  die verschlossenen Pforten
aufbrechen,  alles  umkehren, die  Altц?re  niederreiц?en, die  Statuen  der
Heiligen zerschlagen, alle Gemц?lde verderben, alles, was sie nur Geweihtes,
Geheiligtes antreffen,  zerschmettern,  zerreiц?en, zertreten.  Wie sich der
Haufe unterwegs  vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore erцffnen.
Wie  sie  den Dom mit unglaublicher Schnelle verwц?sten, die Bibliothek  des
Bischofs  verbrennen.  Wie  eine  groц?e Menge  Volks, von  gleichem  Unsinn
ergriffen, sich ц?ber  Menin, Comines,  Werwicq,  Lille verbreitet,  nirgend
Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die
ungeheure Verschwцrung sich erklц?rt und ausgefц?hrt ist.
     Regentin.  Ach, wie  ergreift mich  aufs neue  der Schmerz  bei  deiner
Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das ц?bel werde nur grцц?er
und grцц?er werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell!
     Machiavell.  Verzeihen  Eure  Hoheit, meine Gedanken  sehen Grillen  so
ц?hnlich; und  wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart,  habt
Ihr doch selten  meinem  Rat  folgen mцgen. Ihr sagtet oft im Scherze: б'Du
siehst  zu  weit,  Machiavell!  Du  solltest  Geschichtschreiber  sein:  wer
handelt, muц? fц?rs  Nц?chste sorgen.б' Und doch,  habe ich diese Geschichte
nicht vorauserzц?hlt? Hab ich nicht alles vorausgesehen?
     Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es ц?ndern zu kцnnen.
     Machiavell. Ein  Wort fц?r tausend:  Ihr  unterdrц?ckt die  neue  Lehre
nicht. Laц?t  sie gelten,  sondert sie von  den Rechtglц?ubigen, gebt  ihnen
Kirchen, faц?t  sie in  die  bц?rgerliche Ordnung, schrц?nkt sie ein; und so
habt Ihr  die  Aufrц?hrer  auf einmal zur Ruhe  gebracht. Jede andern Mittel
sind vergeblich, und Ihr verheert das Land.
     Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die
Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden kцnne?  Weiц?t du nicht, wie er
mir  in  jedem  Briefe  die  Erhaltung des  wahren Glaubens  aufs  eifrigste
empfiehlt?  daц?  er Ruhe  und  Einigkeit  auf  Kosten  der  Religion  nicht
hergestellt wissen will? Hц?lt er nicht selbst in den  Provinzen Spione, die
wir  nicht   kennen,  um  zu  erfahren,  wer  sich  zu  der  neuen   Meinung
hinц?berneigt?  Hat  er nicht  zu  unsrer Verwunderung uns  diesen und jenen
genannt,  der  sich in unsrer Nц?he  heimlich  der Ketzerei schuldig machte?
Befiehlt er nicht Strenge und  Schц?rfe? Und ich soll  gelind sein? ich soll
Vorschlц?ge tun, daц? er nachsehe,  daц? er  dulde?  Wц?rde  ich nicht alles
Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren?
     Machiavell. Ich weiц? wohl; der Kцnig  befiehlt, er lц?ц?t  Euch seine
Absichten  wissen.  Ihr sollt  Ruhe  und  Friede wiederherstellen, durch ein
Mittel, das die Gemц?ter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an
allen Enden anblasen  wird.  Bedenkt, was  Ihr tut. Die grцц?ten  Kaufleute
sind angesteckt, der Adel, das Volk, die  Soldaten. Was hilft es, auf seinen
Gedanken beharren,  wenn sich um uns alles  ц?ndert? Mцchte  doch ein guter
Geist Philippen eingeben, daц?  es  einem  Kцnige anstц?ndiger ist, Bц?rger
zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben.
     Regentin. Solch ein  Wort nie  wieder.  Ich  weiц?  wohl, daц?  Politik
selten Treu  und  Glauben  halten kann,  daц?  sie Offenheit, Gutherzigkeit,
Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschlieц?t. In weltlichen Geschц?ften ist
das leider  nur zu wahr; sollen wir aber  auch  mit Gott  spielen  wie unter
einander? Sollen wir gleichgц?ltig gegen unsre  bewц?hrte  Lehre  sein, fц?r
die  so  viele  ihr  Leben aufgeopfert haben?  Die  sollten wir hingeben  an
hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen?
     Machiavell. Denkt nur deswegen nicht ц?bler von mir.
     Regentin.  Ich  kenne dich  und  deine Treue und weiц?,  daц? einer ein
ehrlicher und verstц?ndiger  Mann  sein kann,  wenn er gleich  den nц?chsten
besten  Weg zum Heil  seiner  Seele  verfehlt  hat.  Es  sind  noch  andere,
Machiavell, Mц?nner, die ich schц?tzen und tadeln muц?.
     Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir?
     Regentin.  Ich  kann es gestehen,  daц? mir  Egmont heute  einen  recht
innerlichen tiefen Verdruц? erregte.
     Machiavell. Durch welches Betragen?
     Regentin.  Durch   sein  gewцhnliches,  durch  Gleichgц?ltigkeit   und
Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen
und ihm begleitet, aus  der Kirche ging. Ich  hielt meinen Schmerz nicht an,
ich beklagte  mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete. б'Seht, was
in Eurer  Provinz entsteht! Das  duldet Ihr,  Graf, von  dem der Kцnig sich
alles versprach?б'
     Machiavell. Und was antwortete er?
     Regentin.  Als  wenn  es  nichts,  als  wenn es eine  Nebensache wц?re,
versetzte  er:  б'Wц?ren nur erst  die  Niederlц?nder ц?ber ihre  Verfassung
beruhigt! Das ц?brige wц?rde sich leicht geben.б'
     Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie
soll Zutrauen entstehen und bleiben,  wenn der Niederlц?nder  sieht, daц? es
mehr  um seine Besitztц?mer  als um sein Wohl, um  seiner Seele Heil  zu tun
ist? Haben die  neuen  Bischцfe mehr  Seelen  gerettet, als fette Pfrц?nden
geschmaust,   und   sind   es  nicht   meist   Fremde?   Noch   werden  alle
Statthalterschaften  mit Niederlц?ndern  besetzt; lassen sich es die Spanier
nicht zu deutlich merken, daц? sie die grцц?te, unwiderstehlichste Begierde
nach diesen  Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber  nach  seiner Art
von den Seinigen regieret werden  als von Fremden,  die  erst im Lande  sich
wieder Besitztц?mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden
Maц?stab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen?
     Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner.
     Machiavell. Mit dem Herzen  gewiц?  nicht; und  wollte, ich kцnnte mit
dem Verstande ganz auf der unsrigen sein.
     Regentin. Wenn du so willst, so tц?t'  es not,  ich  trц?te ihnen meine
Regentschaft  ab;  denn Egmont  und  Oranien  machten  sich groц?e Hoffnung,
diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich
verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden.
     Machiavell. Ein gefц?hrliches Paar.
     Regentin.  Soll  ich aufrichtig reden: ich  fц?rchte  Oranien, und  ich
fц?rchte fц?r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen  in
die Ferne, er ist  heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und
in tiefster Ehrfurcht, mit grцц?ter Vorsicht tut er, was ihm beliebt.
     Machiavell. Recht im  Gegenteil geht  Egmont einen  freien Schritt, als
wenn die Welt ihm gehцrte.
     Regentin. Er trц?gt das Haupt so hoch, als  wenn die Hand der Majestц?t
nicht ц?ber ihm schwebte.
     Machiavell.  Die Augen  des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die
Herzen hц?ngen an ihm.
     Regentin.  Nie  hat  er  einen  Schein   vermieden;  als  wenn  niemand
Rechenschaft von  ihm  zu fordern hц?tte.  Noch trц?gt er den Namen  Egmont.
Graf Egmont freut ihn sich nennen  zu hцren; als wollte er nicht vergessen,
daц? seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt  er sich  nicht
Prinz  von Gaure, wie es  ihm zukommt? Warum tut  er das?  Will er erloschne
Rechte wieder geltend machen?
     Machiavell. Ich halte ihn fц?r einen treuen Diener des Kцnigs.
     Regentin. Wenn er wollte, wie verdient kцnnte er sich um die Regierung
machen;  anstatt daц?  er  uns  schon, ohne  sich  zu  nutzen,  unsц?glichen
Verdruц? gemacht hat.  Seine Gesellschaften, Gastmahle und  Gelage haben den
Adel  mehr  verbunden  und verknц?pft  als  die  gefц?hrlichsten  heimlichen
Zusammenkц?nfte. Mit seinen Gesundheiten  haben die Gц?ste  einen  dauernden
Rausch, einen  nie sich verziehenden Schwindel geschцpft. Wie oft setzt  er
durch seine Scherzreden die  Gemц?ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte
der  Pцbel ц?ber die  neuen  Livreen, ц?ber  die tцrichten  Abzeichen  der
Bedienten!
     Machiavell. Ich bin ц?berzeugt, es war ohne Absicht.
     Regentin.  Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nц?tzt  sich
nicht.  Er nimmt das Ernstliche  scherzhaft; und wir, um  nicht mц?ц?ig  und
nachlц?ssig zu scheinen, mц?ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So  hetzt
eins das andre; und was man abzuwenden  sucht, das macht sich erst recht. Er
ist  gefц?hrlicher als ein entschiednes Haupt  einer Verschwцrung;  und ich
mц?ц?te mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann
nicht  leugnen, es vergeht wenig Zeit, daц? er mich  nicht empfindlich, sehr
empfindlich macht.
     Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln.
     Regentin. Sein Gewissen  hat  einen  gefц?lligen Spiegel. Sein Betragen
ist  oft beleidigend. Er  sieht  oft  aus,  als  wenn  er  in der  vцlligen
ц?berzeugung lebe, er sei Herr und  wolle es uns nur aus Gefц?lligkeit nicht
fц?hlen  lassen,  wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen;  es werde
sich schon geben.
     Machiavell.  Ich  bitte  Euch, legt seine  Offenheit, sein glц?ckliches
Blut,  das  alles  Wichtige  leicht behandelt, nicht zu gefц?hrlich aus. Ihr
schadet nur ihm und Euch.
     Regentin. Ich lege nichts aus. Ich spreche  nur von den unvermeidlichen
Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederlц?ndischer Adel und sein Golden Vlies
vor der Brust stц?rken sein Vertrauen, seine  Kц?hnheit. Beides kann ihn vor
einem schnellen, willkц?rlichen  Unmut des Kцnigs  schц?tzen. Untersuch  es
genau; an dem ganzen Unglц?ck, das  Flandern trifft, ist er doch  nur allein
schuld. Er hat zuerst den fremden  Lehrern nachgesehn, hat's  so genau nicht
genommen und vielleicht  sich heimlich gefreut, daц? wir  etwas  zu schaffen
hatten.  Laц?  mich  nur;  was  ich auf  dem  Herzen habe,  soll  bei dieser
Gelegenheit  davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschieц?en;  ich
weiц?, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich.
     Machiavell.  Habt Ihr  den Rat zusammenberufen  lassen?  Kommt  Oranien
auch?
     Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt.  Ich will ihnen die
Last der  Verantwortung nahe  genug zuwц?lzen; sie sollen  sich  mit mir dem
ц?bel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen  erklц?ren. Eile,
daц?  die  Briefe fertig werden, und  bringe mir sie  zur Unterschrift. Dann
sende schnell den  bewц?hrten Vaska nach Madrid; er ist unermц?det und treu;
daц? mein Bruder  zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daц? der  Ruf  ihn
nicht ц?bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht.
     Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden.
     Bц?rgerhaus
     Klare. Klarens Mutter. Brackenburg.
     Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg?
     Brackenburg. Ich bitt Euch, verschont mich, Klц?rchen.
     Klare.  Was  habt  Ihr  wieder? Warum versagt Ihr  mir  diesen  kleinen
Liebesdienst?
     Brackenburg.  Ihr bannt mich  mit  dem Zwirn  so fest vor Euch hin, ich
kann Euern Augen nicht ausweichen.
     Klare. Grillen! kommt und haltet!
     Mutter  (im  Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert
so hц?bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen.
     Brackenburg. Sonst.
     Klare. Wir wollen singen.
     Brackenburg. Was Ihr wollt.
     Klare. Nur hц?bsch munter und frisch weg! Es  ist ein Soldatenliedchen,
mein Leibstц?ck. (Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.)
     Die Trommel gerц?hret!
     Das Pfeifchen gespielt!
     Mein Liebster gewaffnet
     Dem Haufen befiehlt,
     Die Lanze hoch fц?hret,
     Die Leute regieret.
     Wie klopft mir das Herze!
     Wie wallt mir das Blut!
     O hц?tt' ich ein Wц?mslein
     Und Hosen und Hut!
     Ich folgt' ihm zum Tor 'naus
     Mit mutigem Schritt,
     Ging' durch die Provinzen,
     Ging' ц?berall mit.
     Die Feinde schon weichen,
     Wir schieц?en darein.
     Welch Glц?ck sondergleichen,
     Ein Mannsbild zu sein!

     (Brackenburg  hat unter  dem  Singen Klц?rchen  oft  angesehen; zuletzt
bleibt  ihm die  Stimme  stocken, die  Trц?nen kommen ihm  in die  Augen, er
lц?ц?t  den Strang fallen und geht  ans Fenster.  Klц?rchen  singt das  Lied
allein aus, die Mutter  winkt ihr halb unwillig, sie steht auf,  geht einige
Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlц?ssig wieder um und setzt sich.)
     Mutter. Was gibt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich hцre marschieren.
     Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin.
     Klare. Um diese Stunde? was soll das bedeuten?  (Sie steht auf und geht
an das Fenster  zu Brackenburg.) Das ist nicht die tц?gliche Wache, das sind
weit  mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hцrt einmal, was es
gibt. Es  muц? etwas Besonderes sein. Geht,  guter Brackenburg, tut  mir den
Gefallen.
     Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da (Er reicht ihr abgehend
die Hand; sie gibt ihm die ihrige.)
     Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg.
     Klare.  Ich  bin  neugierig;  und  auch, verdenkt  mir's  nicht,  seine
Gegenwart  tut  mir  weh. Ich  weiц?  immer  nicht, wie ich  mich gegen  ihn
betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt's  am  Herzen, daц?
er es so lebendig fц?hlt. - Kann ich's doch nicht ц?ndern!
     Mutter. Es ist ein so treuer Bursche.
     Klare. Ich kann's auch  nicht lassen, ich muц? ihm freundlich begegnen.
Meine Hand drц?ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so
liebevoll anfaц?t. Ich mache mir Vorwц?rfe, daц? ich ihn betriege, daц?  ich
in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nц?hre. Ich bin ц?bel dran. Weiц?
Gott, ich  betrieg ihn nicht.  Ich will nicht, daц? er  hoffen soll, und ich
kann ihn doch nicht verzweifeln lassen.
     Mutter. Das ist nicht gut.
     Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich
hц?tte ihn heiraten kцnnen und glaube, ich war nie in ihn verliebt.
     Mutter. Glц?cklich wц?rst du immer mit ihm gewesen.
     Klare. Wц?re versorgt und hц?tte ein ruhiges Leben.
     Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt.
     Klare. Ich bin in einer  wunderlichen Lage.  Wenn ich so nachdenke, wie
es  gegangen ist,  weiц? ich's wohl und weiц?  es  nicht. Und dann darf  ich
Egmont nur  wieder ansehen,  wird mir alles sehr begreiflich,  ja wц?re  mir
weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an,
und ich in seinem Arm sollte nicht  das glц?cklichste Geschцpf von der Welt
sein?
     Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden?
     Klare. Ach,  ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist
das eine Frage?
     Mutter.  Man  hat  nichts als Herzensangst mit seinen Kindern.  Wie das
ausgehen wird! Immer Sorge  und  Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich
unglц?cklich gemacht! mich unglц?cklich gemacht.
     Klare (gelassen). Ihr lieц?et es doch im Anfange.
     Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut.
     Klare. Wenn Egmont vorbeiritt  und ich ans Fenster  lief,  schaltet Ihr
mich da? Tratet  Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lц?chelte,
nickte,  mich grц?ц?te: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in
Eurer Tochter geehrt?
     Mutter. Mache mir noch Vorwц?rfe.
     Klare  (gerц?hrt). Wenn  er  nun цfter die  Straц?e kam, und wir  wohl
fц?hlten,  daц? er um  meinetwillen  den  Weg machte,  bemerktet Ihr's nicht
selbst  mit heimlicher  Freude?  Rieft Ihr  mich  ab,  wenn  ich  hinter den
Scheiben stand und ihn erwartete?
     Mutter. Dachte ich, daц? es so weit kommen sollte?
     Klare (mit stockender Stimme und zurц?ckgehaltenen Trц?nen). Und wie er
uns abends,  in den Mantel eingehц?llt, bei  der Lampe ц?berraschte, wer war
geschц?ftig, ihn zu empfangen, da  ich auf meinem  Stuhl  wie angekettet und
staunend sitzen blieb?
     Mutter. Und konnte ich  fц?rchten, daц? diese  unglц?ckliche  Liebe das
kluge  Klц?rchen so  bald hinreiц?en wц?rde?  Ich muц? es  nun tragen,  daц?
meine Tochter -
     Klare (mit ausbrechenden Trц?nen). Mutter! Ihr wollt's  nun!  Ihr  habt
Eure Freude, mich zu ц?ngstigen.
     Mutter (weinend).  Weine noch gar! Mache  mich noch elender durch deine
Betrц?bnis.  Ist  mir's  nicht Kummer genug, daц? meine  einzige Tochter ein
verworfenes Geschцpf ist?
     Klare  (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte  verworfen? -
Welche  Fц?rstin neidete  nicht das arme  Klц?rchen um den  Platz an  seinem
Herzen! O Mutter -  meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe  Mutter,
seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese
Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt.
     Mutter.  Man  muц?  ihm hold  sein!  das  ist  wahr.  Er  ist immer  so
freundlich, frei und offen.
     Klare. Es ist keine falsche Ader an  ihm. Seht, Mutter, und er ist doch
der groц?e Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie
er mir  seinen Stand,  seine  Tapferkeit gerne verbц?rge!  wie  er  um  mich
besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster.
     Mutter. Kommt er wohl heute?
     Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster  gehen  sehn? Habt Ihr nicht
bemerkt, wie ich  horche, wenn's an der Tц?r rauscht? - Ob ich  schon weiц?,
daц? er vor Nacht  nicht  kommt,  vermut ich ihn doch  jeden Augenblick, von
morgens an, wenn ich aufstehe.  Wц?r' ich nur ein Bube und kцnnte immer mit
ihm gehen, zu Hofe und ц?berall hin! Kцnnt' ihm die Fahne nachtragen in der
Schlacht! -
     Mutter.  Du  warst  immer so  ein Springinsfeld;  als ein  kleines Kind
schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du  dich nicht ein wenig  besser
an?
     Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe!  - Gestern, denkt,
gingen von seinen Leuten vorbei und sangen  Lobliedchen  auf ihn. Wenigstens
war  sein  Name in  den  Liedern! das ц?brige konnte ich nicht verstehn. Das
Herz schlug mir bis an den Hals  - Ich hц?tte sie  gern zurц?ckgerufen, wenn
ich mich nicht geschц?mt hц?tte.
     Mutter. Nimm dich in acht! Dein  heftiges Wesen verdirbt noch alles; du
verrц?tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter,  wie  du
den Holzschnitt  und die  Beschreibung fandst und mit  einem  Schrei riefst:
б'Graf Egmont!б' - Ich ward feuerrot.
     Klare.  Hц?tt'  ich  nicht  schreien  sollen? Es  war die Schlacht  bei
Gravelingen, und ich  finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche  unten
in der Beschreibung C.  Steht  da: б'Graf  Egmont, dem  das Pferd unter  dem
Leibe totgeschossen wird.б' Mich ц?berlief's - und hernach muц?t' ich lachen
ц?ber  den holzgeschnitzten  Egmont,  der so  groц?  war  als  der  Turm von
Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite. - Wenn ich
mich manchmal erinnere, wie  ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt und was
ich mir  als Mц?dchen fц?r ein  Bild vom Grafen Egmont machte, wenn  sie von
ihm erzц?hlten, und von allen Grafen und Fц?rsten - und wie mir's jetzt ist!
     (Brackenburg kommt.)
     Klare. Wie steht's?
     Brackenburg. Man weiц? nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein
Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er  mцchte sich  hieher
verbreiten. Das Schloц? ist stark besetzt, die Bц?rger sind zahlreich an den
Toren, das Volk summt in  den Gassen. - Ich will nur schnell zu meinem alten
Vater. (Als wollt' er gehen.)
     Klare.  Sieht  man Euch  morgen? Ich will mich ein  wenig anziehen. Der
Vetter  kommt,  und  ich  sehe  gar  zu  liederlich  aus.  Helft  mir  einen
Augenblick, Mutter. - Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder
so eine Historie.
     Mutter. Lebt wohl.
     Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand!
     Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt. (Mutter  und Tochter
ab.)
     Brackenburg  (allein).  Ich   hatte   mir  vorgenommen,  gerade  wieder
fortzugehn; und da sie es dafц?r aufnimmt und mich gehen lц?ц?t, mцcht' ich
rasend werden. - Unglц?cklicher! und dich rц?hrt deines Vaterlandes Geschick
nicht? der wachsende  Tumult nicht? - und  gleich  ist  dir  Landsmann  oder
Spanier, und wer regiert und wer  recht hat? - War ich doch ein andrer Junge
als Schulknabe! - Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: б'Brutus' Rede fц?r
die Freiheit, zur ц?bung der Redekunstб', da war doch immer Fritz der Erste,
und der Rektor  sagte: б'Wenn's nur ordentlicher wц?re,  nur nicht  alles so
ц?bereinander gestolpert.б'  - Damals  kocht' es und  trieb! - Jetzt schlepp
ich mich an den Augen des Mц?dchens  so hin. Kann ich sie doch nicht lassen!
Kann  sie mich doch nicht  lieben!  - Ach - Nein - Sie - Sie kann mich nicht
ganz verworfen haben - Nicht ganz - und halb und nichts! - ich duld es nicht
lц?nger! - - Sollte es wahr sein, was mir ein Freund neulich ins Ohr  sagte?
daц? sie nachts einen Mann heimlich zu sich einlц?ц?t,  da sie mich zц?chtig
immer vor  Abend aus dem Hause treibt. Nein, es ist nicht wahr, es  ist eine
Lц?ge, eine schц?ndliche verleumderische Lц?ge! Klц?rchen ist so unschuldig,
als  ich  unglц?cklich bin.  - Sie hat mich verworfen,  hat mich  von  ihrem
Herzen gestoц?en - - Und ich soll so fortleben? Ich duld, ich duld es nicht.
-  - Schon  wird mein Vaterland von innerm Zwiste heftiger  bewegt, und  ich
sterbe unter  dem Getц?mmel  nur ab! Ich duld es  nicht! - Wenn die Trompete
klingt, ein Schuц? fц?llt, mir fц?hrt's durch  Mark und Bein! Ach,  es reizt
mich nicht! es fordert mich nicht, auch  mit einzugreifen, mit zu retten, zu
wagen. - Elender,  schimpflicher Zustand! Es ist besser, ich end auf einmal.
Neulich stц?rzt' ich mich ins  Wasser, ich sank - aber die geц?ngstete Natur
war stц?rker; ich fц?hlte, daц? ich schwimmen konnte, und rettete mich wider
Wille. - -  Kцnnt' ich der Zeiten vergessen, da sie  mich  liebte, mich  zu
lieben  schien!  -  Warum hat mir 's Mark und Bein durchdrungen, das Glц?ck?
Warum haben  mir  diese Hoffnungen allen Genuц? des Lebens aufgezehrt, indem
sie mir  ein  Paradies von  weitem zeigten? -  Und  jener erste Kuц?!  Jener
einzige! - Hier (die Hand auf den Tisch legend), hier waren wir allein - sie
war immer  gut  und  freundlich  gegen mich gewesen -  da schien sie sich zu
erweichen - sie sah mich an -  alle Sinnen gingen  mir  um, und  ich fц?hlte
ihre Lippen auf den meinigen.  - Und - und nun? - Stirb, Armer! Was zauderst
du? (Er zieht ein Flц?schchen aus der Tasche.) Ich will dich  nicht  umsonst
aus  meines  Bruders Doktorkц?stchen  gestohlen  haben,  heilsames  Gift! Du
sollst mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese Todesschweiц?e  auf  einmal
verschlingen und lцsen.
     Zweiter Aufzug
     Platz in Brц?ssel
     Jetter und ein Zimmermeister treten zusammen.
     Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor  acht Tagen  auf  der
Zunft sagt' ich, es wц?rde schwere Hц?ndel geben.
     Jetter. Ist's denn wahr, daц?  sie die Kirchen  in Flandern geplц?ndert
haben?
     Zimmermeister.  Ganz und  gar zugrunde gerichtet haben  sie Kirchen und
Kapellen. Nichts als die vier nackten Wц?nde haben sie stehen lassen. Lauter
Lumpengesindel! Und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hц?tten eher, in
der Ordnung und  standhaft, unsere Gerechtsame  der  Regentin  vortragen und
drauf halten sollen.  Reden wir jetzt, versammeln  wir uns jetzt,  so heiц?t
es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern.
     Jetter. Ja, so denkt jeder zuerst: was sollst du mit deiner Nase voran?
hц?ngt doch der Hals gar nah damit zusammen.
     Zimmermeister. Mir ist's bange, wenn's einmal unter dem Pack zu lц?rmen
anfц?ngt, unter dem  Volk, das nichts zu verlieren hat. Die brauchen das zum
Vorwande,  worauf  wir uns  auch  berufen mц?ssen, und bringen das  Land  in
Unglц?ck.
     (Soest tritt dazu.)
     Soest.  Guten Tag,  ihr Herrn! Was gibt's Neues? Ist's wahr,  daц?  die
Bilderstц?rmer gerade hierher ihren Lauf nehmen?
     Zimmermeister. Hier sollen sie nichts anrц?hren.
     Soest. Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen - den fragt' ich
aus. Die Regentin,  so eine  wackre kluge Frau sie  bleibt, diesmal  ist sie
auц?er Fassung. Es muц? sehr arg sein, daц? sie sich so geradezu hinter ihre
Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus
der Stadt flц?chten.
     Zimmermeister. Hinaus soll sie nicht! Ihre  Gegenwart  beschц?tzt  uns,
und wir wollen ihr mehr  verschaffen als ihre  Stutzbц?rte. Und wenn sie uns
unsere  Rechte  und  Freiheiten aufrechterhц?lt,  so wollen wir sie  auf den
Hц?nden tragen.
     (Seifensieder tritt dazu.)
     Seifensieder. Garstige Hц?ndel! ц?ble Hц?ndel! Es wird unruhig und geht
schief aus! - Hц?tet euch, daц? ihr stille  bleibt, daц? man euch nicht auch
fц?r Aufwiegler hц?lt.
     Soest. Da kommen die sieben Weisen aus Griechenland.
     Seifensieder.  Ich  weiц?,  da  sind  viele,  die es  heimlich mit  den
Calvinisten  halten,  die auf die Bischцfe  lц?stern, die den Kцnig  nicht
scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! -
     (Es gesellt sich  nach  und nach allerlei Volk zu  ihnen  und horcht. -
Vansen tritt dazu.)
     Vansen. Gott grц?ц?' euch Herren! Was Neues?
     Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl.
     Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets?
     Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber,
und wie ihn ein  Patron nach  dem andern  fortjagte, Schelmstreiche  halber,
pfuscht   er  jetzt  Notaren  und   Advokaten   ins  Handwerk  und  ist  ein
Branntweinzapf.
     (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.)
     Vansen. Ihr seid auch  versammelt, steckt  die Kцpfe zusammen. Es  ist
immer redenswert.
     Soest. Ich denk auch.
     Vansen. Wenn jetzt  einer oder der  andere Herz hц?tte, und einer  oder
der  andere  den Kopf dazu: wir  kцnnten die spanischen Ketten  auf  einmal
sprengen.
     Soest.  Herre!  So  mц?ц?t  Ihr  nicht  reden.  Wir  haben  dem  Kцnig
geschworen.
     Vansen. Und der Kцnig uns. Merkt das.
     Jetter. Das lц?ц?t sich hцren! Sagt Eure Meinung.
     Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe.
     Vansen. Ich hatte  einen alten Patron, der besaц? Pergamente und Briefe
von  uralten Stiftungen,  Kontrakten und Gerechtigkeiten;  er  hielt auf die
rarsten  Bц?cher.   In   einem  stand  unsere  ganze  Verfassung:   wie  uns
Niederlц?nder zuerst einzelne Fц?rsten  regierten, alles nach  hergebrachten
Rechten,  Privilegien und  Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren  alle Ehrfurcht
fц?r ihren Fц?rsten  gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie
sich  gleich vorsahen,  wenn er ц?ber die Schnur hauen  wollte.  Die Staaten
waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz,  so  klein sie  war, hatte ihre
Staaten, ihre Landstц?nde.
     Zimmermeister.  Haltet Euer  Maul!  das  weiц?  man  lange!  Ein  jeder
rechtschaffene  Bц?rger  ist,  so   viel  er  braucht,  von  der  Verfassung
unterrichtet.
     Jetter. Laц?t ihn reden; man erfц?hrt immer etwas mehr.
     Soests. Er hat ganz recht.
     Mehrere. Erzц?hlt! erzц?hlt! So was hцrt man nicht alle Tage.
     Vansen. So seid ihr Bц?rgersleute! Ihr  lebt nur so in den Tag hin; und
wie ihr  euer Gewerb' von euern  Eltern  ц?berkommen habt, so laц?t ihr auch
das Regiment ц?ber euch  schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt
nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem  Recht eines Regenten;
und  ц?ber das Versц?umnis haben  euch  die Spanier das Netz ц?ber die Ohren
gezogen.
     Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tц?gliche Brot hat.
     Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem
so etwas?
     Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der Kцnig in Spanien, der die Provinzen
durch  gut Glц?ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten
anders als die kleinen Fц?rsten, die sie ehemals einzeln  besaц?en. Begreift
ihr das?
     Jetter. Erklц?rt's uns.
     Vansen. Es  ist so  klar  als die Sonne. Mц?ц?t  ihr  nicht  nach euern
Landrechten gerichtet werden? Woher kц?me das?
     Ein Bц?rger. Wahrlich!
     Vansen. Hat der Brц?sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der
Antwerper als der Genter? Woher kц?me denn das?
     Anderer Bц?rger. Bei Gott!
     Vansen. Aber,  wenn  ihr's so  fortlaufen laц?t, wird man's  euch  bald
anders weisen. Pfui! Was Karl der  Kц?hne, Friedrich der  Krieger,  Karl der
Fц?nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib.
     Soests. Ja, ja! Die alten Fц?rsten haben's auch schon probiert.
     Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paц?ten  auf. Wie  sie einem Herrn
gram wurden, fingen  sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei
sich und  gaben  ihn  nur auf  die  besten Bedingungen heraus. Unsere Vц?ter
waren Leute! Die wuц?ten, was ihnen  nц?tz  war! Die wuц?ten etwas zu fassen
und festzusetzen! Rechte Mц?nner! Dafц?r  sind  aber auch unsere Privilegien
so deutlich, unsere Freiheiten so versichert.
     Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten?
     Das Volk. Von unsern Freiheiten,  von unsern Privilegien! Erzц?hlt noch
was von unsern Privilegien.
     Vansen. Wir  Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile
haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen.
     Soests. Sagt an.
     Jetter. Laц?t hцren.
     Ein Bц?rger. Ich bitt Euch.
     Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein
guter und getreuer Herr sein.
     Soests. Gut! Steht das so?
     Jetter. Getreu? Ist das wahr?
     Vansen.  Wie  ich euch  sage.  Er  ist  uns verpflichtet, wie  wir ihm.
Zweitens: Er soll keine Macht oder  eignen  Willen an uns  beweisen,  merken
lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise.
     Jetter. Schцn! Schцn! nicht beweisen.
     Soests. Nicht merken lassen.
     Ein anderer.  Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der  Hauptpunkt.
Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise.
     Vansen. Mit ausdrц?cklichen Worten.
     Jetter. Schafft uns das Buch.
     Ein Bц?rger. Ja, wir mц?ssen's haben.
     Andere. Das Buch! das Buch!
     Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche.
     Ein anderer. Ihr sollt das Wort fц?hren, Herr Doktor.
     Seifensieder. O die Trцpfe!
     Andere. Noch etwas aus dem Buche!
     Seifensieder. Ich schlage ihm die Zц?hne in den Hals, wenn er  noch ein
Wort sagt.
     Das Volk. Wir  wollen sehen, wer  ihm  etwas  tut. Sagt uns was von den
Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien?
     Vansen.  Mancherlei,  und  sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der
Landsherr soll den  geistlichen Stand  nicht  verbessern oder  mehren,  ohne
Verwilligung des Adels und der Stц?nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes
nicht verц?ndern.
     Soest. Ist das so?
     Vansen.  Ich  will's  euch  geschrieben zeigen, von zwei-,  dreihundert
Jahren her.
     Bц?rger.  Und  wir  leiden  die  neuen  Bischцfe?  Der Adel  muц?  uns
schц?tzen, wir fangen Hц?ndel an!
     Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen?
     Vansen. Das ist eure Schuld.
     Das Volk.  Wir  haben noch  Egmont! noch Oranien! Die sorgen fц?r unser
Bestes!
     Vansen. Eure Brц?der in Flandern haben das gute Werk angefangen.
     Seifensieder. Du Hund!
     (Er schlц?gt ihn.)
     Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier?
     Ein anderer. Was? den Ehrenmann?
     Ein anderer. Den Gelahrten?
     (Sie fallen den Seifensieder an.)
     Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht!
     (Andere mischen sich in den Streit.)
     Zimmermeister. Bц?rger, was soll das?
     (Buben pfeifen, werfen mit Steinen,  hetzen Hunde an, Bц?rger stehn und
gaffen,  Volk lц?uft zu,  andere  gehn  gelassen auf und ab, andere  treiben
allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.)
     Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit!
     (Egmont tritt auf mit Begleitung.)
     Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander!
     Zimmermeister.  Gnц?diger Herr,  Ihr kommt wie ein  Engel des  Himmels.
Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz!
     Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? Bц?rger gegen Bц?rger! Hц?lt sogar
die Nц?he unsrer kцniglichen Regentin diesen  Unsinn  nicht  zurц?ck?  Geht
auseinander, geht  an euer Gewerbe.  Es ist ein  ц?bles Zeichen, wenn ihr an
Werktagen feiert. Was war's?
     (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.)
     Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien.
     Egmont. Die sie noch mutwillig zertrц?mmern werden - Und wer seid  Ihr?
Ihr scheint mir rechtliche Leute.
     Zimmermeister. Das ist unser Bestreben.
     Egmont. Eures Zeichens?
     Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister.
     Egmont. Und Ihr?
     Soest. Krц?mer.
     Egmont. Ihr?
     Jetter. Schneider.
     Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fц?r meine Leute
gearbeitet. Euer Name ist Jetter.
     Jetter. Gnade, daц? Ihr Euch dessen erinnert.
     Egmont.  Ich  vergesse  niemanden  leicht,  den  ich einmal gesehen und
gesprochen  habe. - Was  an euch ist, Ruhe zu erhalten,  Leute, das tut; ihr
seid ц?bel genug angeschrieben.  Reizt den Kцnig nicht mehr, er hat zuletzt
doch die  Gewalt in Hц?nden. Ein ordentlicher Bц?rger, der  sich ehrlich und
fleiц?ig nц?hrt, hat ц?berall so viel Freiheit, als er braucht.
     Zimmermeister.  Ach  wohl! das ist eben  unsre  Not! Die Tagdiebe,  die
Sцffer,  die  Faulenzer,  mit  Euer   Gnaden  Verlaub,  die  stц?nkern  aus
Langerweile  und  scharren  aus  Hunger  nach  Privilegien  und  lц?gen  den
Neugierigen und Leichtglц?ubigen was  vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu
kriegen,  fangen sie  Hц?ndel  an, die  viel tausend  Menschen  unglц?cklich
machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Hц?user und Kasten zu gut
verwahrt; da mцchten sie gern uns mit Feuerbrц?nden davontreiben.
     Egmont. Allen Beistand  sollt ihr finden; es sind Maц?regeln  genommen,
dem ц?bel krц?ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt
nicht,  durch  Aufruhr  befestige man Privilegien.  Bleibt zu  Hause; leidet
nicht, daц? sie  sich auf  den  Straц?en rotten. Vernц?nftige  Leute kцnnen
viel tun.
     (Indessen hat sich der grцц?te Haufe verlaufen.)
     Zimmermeister. Danken  Euer Exzellenz,  danken fц?r  die gute  Meinung!
Alles,  was  an  uns  liegt.  (Egmont ab.)  Ein  gnц?diger  Herr! der  echte
Niederlц?nder! Gar so nichts Spanisches.
     Jetter. Hц?tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne.
     Soest. Das lц?ц?t  der Kцnig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit
den Seinigen.
     Jetter.  Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach
spanischem Schnitt.
     Zimmermeister. Ein schцner Herr!
     Jetter. Sein Hals wц?r' ein rechtes Fressen fц?r einen Scharfrichter.
     Soest. Bist du toll? was kommt dir ein!
     Jetter. Dumm genug, daц? einem so etwas einfц?llt. - Es ist mir nun so.
Wenn  ich einen  schцnen langen Hals  sehe,  muц?  ich gleich wider  Willen
denken: der ist  gut  kцpfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie
nicht aus dem Sinne.  Wenn die Bursche  schwimmen, und ich seh einen nackten
Buckel, gleich  fallen  sie mir zu  Dutzenden  ein, die  ich habe  mit Ruten
streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst,  mein  ich,  den  sц?h' ich
schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern;
man wird eben keine Stunde  froh. Jede Lustbarkeit, jeden Spaц? hab ich bald
vergessen;  die  fц?rchterlichen  Gestalten  sind  mir  wie  vor die  Stirne
gebrannt.
     Egmonts Wohnung
     Sekretц?r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf.
     Sekretц?r. Er kommt immer nicht! und  ich warte schon zwei Stunden, die
Feder in der Hand,.  die Papiere vor mir; und eben heute mцcht' ich gern so
zeitig  fort.  Es brennt  mir unter den Sohlen. Ich  kann vor  Ungeduld kaum
bleiben. б'Sei auf die Stunde daб',  befahl er mir noch, ehe er wegging; nun
kommt er  nicht. Es  ist so viel zu  tun,  ich  werde vor  Mitternacht nicht
fertig. Freilich  sieht er einem  auch einmal durch die Finger.  Doch hielt'
ich's  besser,  wenn  er  strenge  wц?re  und  lieц?e einen auch  wieder zur
bestimmten  Zeit. Man kцnnte sich einrichten. Von der  Regentin ist er  nun
schon zwei Stunden weg; wer weiц?, wen er unterwegs angefaц?t hat.
     (Egmont tritt auf.)
     Egmont. Wie sieht's aus?
     Sekretц?r. Ich bin bereit, und drei Boten warten.
     Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieц?lich
Gesicht.
     Sekretц?r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich  schon lange. Hier  sind
die Papiere!
     Egmont. Donna Elvira wird bцse auf  mich werden, wenn sie  hцrt, daц?
ich dich abgehalten habe.
     Sekretц?r. Ihr scherzt.
     Egmont.  Nein,  nein.  Schц?me  dich  nicht.  Du   zeigst  einen  guten
Geschmack. Sie  ist hц?bsch; und es  ist  mir ganz  recht,  daц? du  auf dem
Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe?
     Sekretц?r. Mancherlei und wenig Erfreuliches.
     Egmont.  Da ist gut, daц? wir die  Freude zu Hause haben  und sie nicht
von auswц?rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen?
     Sekretц?r. Genug, und drei Boten warten.
     Egmont. Sag an! das Nцtigste!
     Sekretц?r. Es ist alles nцtig.
     Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind!
     Sekretц?r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und
der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. -
     Egmont.  Er  schreibt  wohl  noch  von  einzelnen  Ungezogenheiten  und
Tollkц?hnheiten?
     Sekretц?r. Ja! Es kommt noch manches vor.
     Egmont. Verschone mich damit.
     Sekretц?r. Noch  sechs  sind  eingezogen  worden,  die bei  Wervicq das
Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll
hц?ngen lassen?
     Egmont. Ich bin des Hц?ngens  mц?de. Man  soll  sie durchpeitschen, und
sie mцgen gehen.
     Sekretц?r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen?
     Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen.
     Sekretц?r. Brink  von  Bredas  Kompanie  will  heiraten.  Der Hauptmann
hofft,  Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen,
schreibt  er,  daц?, wenn wir  ausziehen, es keinem Soldatenmarsch,  sondern
einem Zigeunergeschleppe ц?hnlich sehen wird.
     Egmont. Dem mag's noch hingehen!  Es ist  ein schцner junger Kerl;  er
bat mich  noch gar  dringend,  eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem  mehr
gestattet sein,  so leid mir's tut, den armen Teufeln,  die ohnedies geplagt
genug sind, ihren besten Spaц? zu versagen.
     Sekretц?r. Zwei von  Euern Leuten, Seter und Hart, haben  einem Mц?del,
einer  Wirtstochter,  ц?bel mitgespielt. Sie kriegten  sie allein,  und  die
Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren.
     Egmont. Wenn  es  ein  ehrlich  Mц?dchen  ist,  und  sie  haben  Gewalt
gebraucht,  so  soll  er sie drei Tage  hintereinander mit  Ruten  streichen
lassen, und wenn  sie etwas besitzen, soll er so  viel davon einziehen, daц?
dem Mц?dchen eine Ausstattung gereicht werden kann.
     Sekretц?r. Einer  von den  fremden  Lehrern ist heimlich durch  Comines
gegangen  und  entdeckt  worden.  Er  schwцrt,  er  sei  im  Begriff,  nach
Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden.
     Egmont. Sie sollen ihn in der  Stille  an  die Grenze  bringen  und ihm
versichern, daц? er das zweitemal nicht so wegkommt.
     Sekretц?r. Ein  Brief von Euerm  Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig
Geld ein, er kцnne  auf die Woche die verlangte Summe  schwerlich schicken;
der Tumult habe in alles die grцц?te Konfusion gebracht.
     Egmont. Das Geld muц? herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt.
     Sekretц?r. Er  sagt, er werde  sein mцglichstes tun  und wolle endlich
den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen
lassen.
     Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen.
     Sekretц?r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage.
     Egmont. So gebe man  ihm noch vierzehn Tage; und dann mag  er gegen ihn
verfahren.
     Sekretц?r. Ihr tut wohl. Es ist nicht Unvermцgen; es ist bцser Wille.
Er macht  gewiц?  Ernst, wenn  er sieht, Ihr spaц?t nicht. - Ferner sagt der
Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen
Ihr  Gnadengehalte gebt, die Gebц?hr einen halben Monat  zurц?ckhalten;  man
kцnne indessen Rat schaffen; sie mцchten sich einrichten.
     Egmont. Was  ist da einzurichten? Die Leute brauchen  das Geld nцtiger
als ich. Das soll er bleibenlassen.
     Sekretц?r. Woher befehlt Ihr denn, daц? er das Geld nehmen soll?
     Egmont.  Darauf  mag  er  denken; es  ist  ihm im vorigen Briefe  schon
gesagt.
     Sekretц?r. Deswegen tut er die Vorschlц?ge.
     Egmont.  Die  taugen nicht,  er  soll auf was  anders  sinnen. Er  soll
Vorschlц?ge  tun,  die  annehmlich  sind, und  vor  allem soll er  das  Geld
schaffen.
     Sekretц?r.  Ich  habe den Brief  des Grafen  Oliva wieder hiehergelegt.
Verzeiht, daц? ich Euch daran  erinnere.  Der alte  Herr verdient vor  allen
andern eine ausfц?hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. Gewiц?,
er liebt Euch wie ein Vater.
     Egmont. Ich  komme nicht dazu. Und unter vielem  Verhaц?ten ist mir das
Schreiben das Verhaц?teste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib  in
meinem  Namen.  Ich erwarte  Oranien. Ich  komme  nicht dazu; und  wц?nschte
selbst,  daц?  ihm   auf  seine  Bedenklichkeiten  was   recht  Beruhigendes
geschrieben wц?rde.
     Sekretц?r.  Sagt mir nur ungefц?hr Eure Meinung;  ich  will die Antwort
schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daц? sie
vor Gericht fц?r Eure Hand gelten kann.
     Egmont.  Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher
Alter! Warst du in deiner  Jugend auch  wohl so bedц?chtig? Erstiegst du nie
einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrц?t, hinten? -
Der treue, sorgliche! Er will  mein Leben und mein Glц?ck und  fц?hlt nicht,
daц? der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm,
er  mцge unbesorgt sein;  ich handle, wie  ich soll,  ich  werde mich schon
wahren:  sein Ansehn bei Hofe  soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines
vollkommnen Dankes gewiц? sein.
     Sekretц?r. Nichts weiter? O er erwartet mehr.
     Egmont. Was soll  ich mehr  sagen?  Willst  du mehr  Worte  machen,  so
steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie
ich nicht leben mag. Daц?  ich frцhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch
lebe,  das ist mein Glц?ck; und  ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit
eines Totengewцlbes. Ich habe  nun zu der spanischen  Lebensart nicht einen
Blutstropfen  in  meinen  Adern;  nicht Lust,  meine Schritte nach der neuen
bedц?chtigen Hofkadenz  zu mustern.  Leb ich  nur, um aufs Leben  zu denken?
Soll  ich  den gegenwц?rtigen  Augenblick  nicht  genieц?en, damit  ich  des
folgenden gewiц? sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren?
     Sekretц?r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den
guten Mann. Ihr seid ja  sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefц?llig
Wort, das den edeln Freund  beruhige. Seht, wie sorgfц?ltig er ist, wie leis
er Euch berц?hrt.
     Egmont. Und doch berц?hrt  er  immer diese  Saite. Er  weiц? von alters
her,  wie  verhaц?t mir  diese Ermahnungen sind; sie  machen  nur irre,  sie
helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wц?re und auf dem gefц?hrlichen
Gipfel  eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich,  mich beim Namen zu
rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tцten? Laц?t jeden seines Pfades
gehn; er mag sich wahren.
     Sekretц?r. Es  ziemt Euch, nicht  zu  sorgen, aber  wer Euch  kennt und
liebt -
     Egmont  (in den  Brief sehend). Da bringt er wieder  die alten Mц?rchen
auf, was  wir an einem Abend in leichtem  ц?bermut der  Geselligkeit und des
Weins  getrieben und gesprochen; und was man  daraus fц?r Folgen und Beweise
durchs ganze Kцnigreich  gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir  haben
Schellenkappen, Narrenkutten auf  unsrer  Diener  ц'rmel sticken lassen, und
haben  diese tolle Zierde nachher in ein Bц?ndel Pfeile verwandelt; ein noch
gefц?hrlicher Symbol fц?r alle, die deuten wollen,  wo nichts zu deuten ist.
Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich
und geboren; sind schuld, daц?  eine ganze edle Schar mit Bettelsц?cken  und
mit einem selbstgewц?hlten Unnamen dem  Kцnige seine Pflicht mit spottender
Demut ins Gedц?chtnis  rief;  sind schuld  -  was ist's nun  weiter? Ist ein
Fastnachtsspiel gleich  Hochverrat? Sind  uns die  kurzen, bunten Lumpen  zu
miц?gцnnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers
Lebens arme Blцц?e hц?ngen mag? Wenn ihr das  Leben gar zu ernsthaft nehmt,
was  ist denn dran? Wenn  uns der Morgen  nicht  zu neuen  Freuden weckt, am
Abend  uns  keine Lust  zu hoffen  ц?brigbleibt:  ist's  wohl  des  An-  und
Ausziehens  wert? Scheint mir  die Sonne  heut,  um  das zu  ц?berlegen, was
gestern war? und um zu  raten,  zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu
verbinden ist,  das  Schicksal  eines  kommenden  Tages? Schenke  mir  diese
Betrachtungen;  wir wollen  sie  Schц?lern  und Hцflingen ц?berlassen.  Die
mцgen sinnen  und  aussinnen, wandeln und schleichen,  gelangen, wohin  sie
kцnnen, erschleichen, was sie kцnnen. -  Kannst du von allem  diesem etwas
brauchen, daц? deine  Epistel kein Buch wird, so ist mir's  recht. Dem guten
Alten scheint  alles  viel zu wichtig. So drц?ckt ein Freund, der lang unsre
Hand gehalten, sie stц?rker noch einmal, wenn er sie lassen will.
     Sekretц?r. Verzeiht  mir, es wird dem Fuц?gц?nger schwindlig, der einen
Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht.
     Egmont.  Kind!  Kind!  nicht  weiter!  Wie  von  unsichtbaren  Geistern
gepeitscht, gehen  die Sonnenpferde  der Zeit mit unsers Schicksals leichtem
Wagen  durch;  und  uns  bleibt  nichts,  als,  mutig  gefaц?t,  die  Zц?gel
festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze  da, die
Rц?der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiц? es? Erinnert er sich doch kaum,
woher er kam.
     Sekretц?r. Herr! Herr!
     Egmont.  Ich  stehe  hoch  und  kann und  muц? noch hцher steigen; ich
fц?hle mir Hoffnung, Mut  und  Kraft.  Noch hab ich  meines Wachstums Gipfel
nicht  erreicht;  und steh  ich  droben  einst,  so  will  ich  fest,  nicht
ц?ngstlich stehn. Soll ich fallen, so  mag ein Donnerschlag,  ein Sturmwind,
ja ein selbst  verfehlter  Schritt mich abwц?rts in  die  Tiefe stц?rzen; da
lieg ich  mit viel Tausenden.  Ich habe nie  verschmц?ht, mit  meinen  guten
Kriegsgesellen um  kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich
knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht?
     Sekretц?r.  O Herr! Ihr wiц?t  nicht, was fц?r  Worte Ihr sprecht! Gott
erhalt' Euch!
     Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am
nцtigsten  ist, daц? die Boten fortkommen, eh die Tore  geschlossen werden.
Das  andere  hat  Zeit. Den Brief an  den Grafen laц?  bis morgen; versц?ume
nicht, Elviren zu besuchen, und grц?ц?e sie von mir. -  Horche, wie sich die
Regentin  befindet;  sie soll nicht  wohl sein,  ob  sie's gleich  verbirgt.
(Sekretц?r ab.)
     (Oranien kommt.)
     Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei.
     Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin?
     Egmont.   Ich   fand   in    ihrer   Art,   uns   aufzunehmen,   nichts
Auц?erordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht
ganz wohl.
     Oranien. Merktet Ihr nicht, daц? sie zurц?ckhaltender war?  Erst wollte
sie  unser  Betragen bei  dem  neuen  Aufruhr des Pцbels gelassen billigen;
nachher  merkte sie  an, was sich doch  auch fц?r  ein falsches Licht darauf
werfen lasse;  wich dann  mit dem  Gesprц?che zu ihrem  alten  gewцhnlichen
Diskurs:  daц?  man  ihre liebevolle  gute  Art,  ihre  Freundschaft zu  uns
Niederlц?ndern, nie  genug erkannt, zu  leicht behandelt  habe, daц?  nichts
einen erwц?nschten Ausgang nehmen wolle, daц? sie am Ende wohl mц?de werden,
der  Kцnig sich  zu  andern Maц?regeln entschlieц?en  mц?sse. Habt Ihr  das
gehцrt?
     Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist  ein
Weib, guter  Oranien, und die mцchten immer gern, daц? sich alles unter ihr
sanftes Joch  gelassen schmiegte, daц? jeder Herkules die Lцwenhaut ablegte
und  ihren Kunkelhof vermehrte;  daц?, weil sie friedlich gesinnt  sind, die
Gц?rung,  die  ein  Volk  ergreift, der  Sturm,  den  mц?chtige  Nebenbuhler
gegeneinander erregen,  sich  durch  ein freundlich Wort beilegen lieц?e und
die  widrigsten  Elemente  sich  zu  ihren  Fц?ц?en   in  sanfter  Eintracht
vereinigten. Das ist  ihr Fall;  und da sie es  dahin nicht bringen kann, so
hat  sie  keinen  Weg,  als  launisch zu werden,  sich ц?ber  Undankbarkeit,
Unweisheit zu  beklagen,  mit  schrecklichen Aussichten  in  die Zukunft  zu
drohen, und zu drohen - daц? sie fortgehn will.
     Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daц? sie ihre Drohung erfц?llt?
     Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie  schon reisefertig gesehn!  Wo
will  sie  denn  hin? Hier Statthalterin, Kцnigin; glaubst du, daц? sie  es
unterhalten wird, am Hofe ihres  Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder
nach  Italien   zu  gehen   und   sich   in   alten   Familienverhц?ltnissen
herumzuschleppen?
     Oranien. Man hц?lt sie dieser Entschlieц?ung nicht fц?hig, weil Ihr sie
habt zaudern, weil Ihr  sie habt zurц?cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in
ihr; neue Umstц?nde treiben sie zu  dem  lang verzцgerten Entschluц?.  Wenn
sie ginge? und der Kцnig schickte einen andern?
     Egmont. Nun, der wц?rde kommen, und wц?rde eben auch zu tun finden. Mit
groц?en  Planen,  Projekten und  Gedanken  wц?rde  er kommen,  wie  er alles
zurechtrц?cken,  unterwerfen und  zusammenhalten wolle;  und wц?rde heut mit
dieser  Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun  haben, ц?bermorgen jene
Hindernis  finden,  einen  Monat mit  Entwц?rfen, einen andern  mit Verdruц?
ц?ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen ц?ber eine einzige
Provinz zubringen. Auch ihm wird die  Zeit vergehn, der  Kopf schwindeln und
die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daц? er, statt weite Meere nach einer
vorgezognen Linie zu  durchsegeln, Gott danken mag,  wenn er sein Schiff  in
diesem Sturme vom Felsen hц?lt.
     Oranien. Wenn man nun aber dem Kцnig zu einem Versuch riete?
     Egmont. Der wц?re?
     Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge.
     Egmont. Wie?
     Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere Verhц?ltnisse am
Herzen,  ich stehe immer wie ц?ber einem Schachspiele und halte  keinen  Zug
des Gegners fц?r unbedeutend; und  wie  mц?ц?ige Menschen mit  der grцц?ten
Sorgfalt  sich um die Geheimnisse  der Natur bekц?mmern, so halt ich es fц?r
Pflicht,  fц?r Beruf eines  Fц?rsten, die Gesinnungen, die Ratschlц?ge aller
Parteien  zu kennen. Ich  habe Ursach', einen  Ausbruch zu befц?rchten.  Der
Kцnig  hat  lange nach  gewissen Grundsц?tzen gehandelt;  er sieht, daц? er
damit nicht auskommt; was  ist wahrscheinlicher, als daц? er  es  auf  einem
andern Wege versucht?
     Egmont.  Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht,
und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muц?  man  es  endlich  wohl
genug haben.
     Oranien. Eins hat er noch nicht versucht.
     Egmont. Nun?
     Oranien. Das Volk zu schonen und die Fц?rsten zu verderben.
     Egmont.  Wie  viele  haben das  schon lange gefц?rchtet!  Es  ist keine
Sorge.
     Oranien. Sonst war's  Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt
Gewiц?heit geworden.
     Egmont. Und hat der Kцnig treuere Diener als uns?
     Oranien. Wir dienen ihm auf  unsere Art; und unter einander kцnnen wir
gestehen,  daц? wir  des Kцnigs  Rechte  und  die  unsrigen wohl abzuwц?gen
wissen.
     Egmont. Wer tut's  nicht?  Wir sind ihm  untertan und gewц?rtig in dem,
was ihm zukommt.
     Oranien.  Wenn  er sich nun  aber  mehr  zuschriebe  und  Treulosigkeit
nennte, was wir heiц?en: auf unsre Rechte halten?
     Egmont.  Wir werden  uns verteidigen  kцnnen. Er  rufe die  Ritter des
Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen.
     Oranien. Und was wц?re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor
dem Urteil?
     Egmont.  Eine  Ungerechtigkeit, der sich Philipp  nie  schuldig  machen
wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen Rц?ten nicht zutraue.
     Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tцricht wц?ren?
     Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mцglich. Wer sollte wagen, Hand an
uns  zu  legen? - Uns  gefangenzunehmen, wц?r' ein verlornes und fruchtloses
Unternehmen.  Nein,  sie  wagen nicht,  das  Panier  der  Tyrannei  so  hoch
aufzustecken.  Der  Windhauch,  der  diese  Nachricht ц?bers  Land brц?chte,
wц?rde  ein  ungeheures Feuer  zusammentreiben.  Und  wohinaus  wollten sie?
Richten  und  verdammen  kann nicht  der  Kцnig  allein;  und  wollten  sie
meuchelmцrderisch  an  unser  Leben?   -  Sie  kцnnen  nicht  wollen.  Ein
schrecklicher Bund wц?rde in einem Augenblick das Volk vereinigen.  Haц? und
ewige Trennung vom spanischen Namen wц?rde sich gewaltsam erklц?ren.
     Oranien.  Die  Flamme wц?tete  dann ц?ber  unserm  Grabe, und das  Blut
unsrer Feinde flцsse zum leeren Sц?hnopfer. Laц? uns denken, Egmont.
     Egmont. Wie sollten sie aber?
     Oranien. Alba ist unterwegs.
     Egmont. Ich glaub's nicht.
     Oranien. Ich weiц? es.
     Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen.
     Oranien. Um  desto mehr bin ich ц?berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz
machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit.
     Egmont.  Aufs neue  die Provinzen zu belц?stigen? Das Volk wird hцchst
schwierig werden.
     Oranien. Man wird sich der Hц?upter versichern.
     Egmont. Nein! Nein!
     Oranien.  Laц?  uns gehen, jeder  in seine Provinz. Dort wollen wir uns
verstц?rken; mit offner Gewalt fц?ngt er nicht an.
     Egmont. Mц?ssen wir ihn nicht begrц?ц?en, wenn er kommt?
     Oranien. Wir zцgern.
     Egmont. Und  wenn  er  uns  im Namen  des  Kцnigs bei  seiner  Ankunft
fordert?
     Oranien. Suchen wir Ausflц?chte.
     Egmont. Und wenn er dringt?
     Oranien. Entschuldigen wir uns.
     Egmont. Und wenn er drauf besteht?
     Oranien. Kommen wir um so weniger.
     Egmont. Und der Krieg ist erklц?rt, und wir sind die Rebellen. Oranien,
laц? dich nicht durch Klugheit verfц?hren; ich weiц?, daц? Furcht dich nicht
weichen macht. Bedenke den Schritt.
     Oranien. Ich hab ihn bedacht.
     Egmont.  Bedenke,  wenn du dich  irrst,  woran du schuld  bist; an  dem
verderblichsten Kriege, der je ein Land verwц?stet hat. Dein Weigern ist das
Signal,  das  die  Provinzen  mit  einmal  zu  den  Waffen  ruft,  das  jede
Grausamkeit rechtfertigt,  wozu Spanien  von  jeher  nur  gern  den  Vorwand
gehascht hat.  Was wir  lange mц?hselig  gestillt haben, wirst du  mit einem
Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk  an  die  Stц?dte,  die
Edeln, das Volk, an  die Handlung, den Feldbau,  die Gewerbe! und  denke die
Verwц?stung,  den Mord! -  Ruhig sieht  der  Soldat  wohl  im  Felde  seinen
Kameraden  neben  sich  hinfallen; aber  den  Fluц? herunter werden dir  die
Leichen  der Bц?rger, der Kinder, der  Jungfrauen entgegenschwimmen, daц? du
mit Entsetzen  dastehst und nicht mehr weiц?t, wessen Sache du  verteidigst,
da die zugrunde gehen, fц?r deren Freiheit du die Waffen  ergriffst. Und wie
wird  dir's sein, wenn  du  dir still sagen  muц?t:  б'Fц?r meine Sicherheit
ergriff ich sie.б'
     Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es  sich,  uns
fц?r  Tausende hinzugeben,  so  ziemt es sich auch,  uns  fц?r  Tausende  zu
schonen.
     Egmont. Wer sich schont, muц? sich selbst verdц?chtig werden.
     Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rц?ckwц?rts gehen.
     Egmont. Das ц?bel, das du fц?rchtest, wird gewiц? durch deine Tat.
     Oranien.   Es   ist   klug   und  kц?hn,  dem   unvermeidlichen   ц?bel
entgegenzugehn.
     Egmont.  Bei  so  groц?er  Gefahr  kommt  die  leichteste  Hoffnung  in
Anschlag.
     Oranien.  Wir haben nicht fц?r den leisesten Fuц?tritt Platz mehr;  der
Abgrund liegt hart vor uns.
     Egmont. Ist des Kцnigs Gunst ein so schmaler Grund?
     Oranien. So schmal nicht, aber schlц?pfrig.
     Egmont. Bei Gott! man  tut ihm  Unrecht. Ich mag nicht leiden, daц? man
unwц?rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fц?hig.
     Oranien. Die Kцnige tun nichts Niedriges.
     Egmont. Man sollte ihn kennenlernen.
     Oranien.  Eben diese Kenntnis  rц?t uns, eine gefц?hrliche  Probe nicht
abzuwarten.
     Egmont. Keine Probe ist gefц?hrlich, zu der man Mut hat.
     Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont.
     Egmont. Ich muц? mit meinen Augen sehen.
     Oranien. O sц?hst du diesmal nur mit den  meinigen! Freund, weil du sie
offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du  Albas Ankunft ab, und
Gott sei bei  dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern.  Vielleicht daц? der
Drache  nichts  zu  fangen  glaubt,  wenn  er uns  nicht  beide  auf  einmal
verschlingt.   Vielleicht   zцgert  er,   um   seinen   Anschlag   sicherer
auszufц?hren;  und  vielleicht  siehest  du indes die Sache  in ihrer wahren
Gestalt. Aber dann schnell! schnell!  Rette! rette dich! - Leb  wohl! - Laц?
deiner Aufmerksamkeit nichts  entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie
er die Stadt besetzt, was fц?r Macht die Regentin behц?lt, wie deine Freunde
gefaц?t sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont -
     Egmont. Was willst du?
     Oranien (ihn bei der Hand fassend). Laц? dich ц?berreden! Geh mit!
     Egmont. Wie? Trц?nen, Oranien?
     Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mц?nnlich.
     Egmont. Du wц?hnst mich verloren?
     Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl!
(Ab.)
     Egmont (allein). Daц? andrer Menschen Gedanken solchen Einfluц? auf uns
haben!  Mir  wц?r'  es  nie  eingekommen;   und  dieser  Mann  trц?gt  seine
Sorglichkeit  in mich  herц?ber.  - Weg!  - Das ist ein fremder  Tropfen  in
meinem  Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die
sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel.
     Dritter Aufzug
     Palast der Regentin
     Margarete von Parma.
     Margarete. Ich hц?tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in Mц?he  und
Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer,  man tue das Mцglichste;  und der
von weitem zusieht und  befiehlt, glaubt, er verlange nur das Mцgliche. - O
die  Kцnige!  - Ich hц?tte nicht  geglaubt, daц?  es  mich  so  verdrieц?en
kцnnte. Es ist so schцn zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiц? nicht,
wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch.
     (Machiavell erscheint im Grunde.)
     Regentin. Tretet  nц?her,  Machiavell. Ich denke hier  ц?ber den  Brief
meines Bruders.
     Machiavell. Ich darf wissen, was er enthц?lt?
     Regentin. So viel zц?rtliche Aufmerksamkeit fц?r mich als Sorgfalt fц?r
seine Staaten. Er  rц?hmt die Standhaftigkeit,  den Fleiц?  und  die  Treue,
womit ich  bisher fц?r die Rechte seiner Majestц?t in diesen Landen  gewacht
habe. Er bedauert  mich, daц? mir  das unbц?ndige Volk  so viel zu  schaffen
mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen  ц?berzeugt, mit
der Klugheit meines Betragens  so auц?erordentlich zufrieden, daц? ich  fast
sagen muц?,  der  Brief ist fц?r einen  Kцnig  zu  schцn geschrieben, fц?r
einen Bruder gewiц?.
     Machiavell.  Es  ist  nicht  das erstemal, daц?  er Euch seine gerechte
Zufriedenheit bezeigt.
     Regentin. Aber das erstemal, daц? es rednerische Figur ist.
     Machiavell. Ich versteh Euch nicht.
     Regentin.  Ihr  werdet.  - Denn er meint,  nach diesem  Eingange:  ohne
Mannschaft, ohne  eine  kleine Armee werde  ich immer hier eine ц?ble  Figur
spielen! Wir hц?tten,  sagt er, unrecht getan,  auf die Klagen der Einwohner
unsre  Soldaten  aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er,  die
dem Bц?rger auf dem Nacken lastet,  verbiete  ihm durch ihre Schwere, groц?e
Sprц?nge zu machen.
     Machiavell. Es wц?rde die Gemц?ter ц?uц?erst aufbringen.
     Regentin.  Der  Kцnig  meint aber,  hцrst  du?  - Er meint, daц?  ein
tц?chtiger  General, so  einer, der gar keine  Rц?son  annimmt, gar bald mit
Volk  und Adel,  Bц?rgern  und  Bauern fertig werden  kцnne;  - und schickt
deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba.
     Machiavell. Alba?
     Regentin. Du wunderst dich?
     Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll?
     Regentin. Der Kцnig fragt nicht; er schickt.
     Machiavell. So  werdet Ihr einen  erfahrnen  Krieger  in Euren Diensten
haben.
     Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell.
     Machiavell. Ich mцcht' Euch nicht vorgreifen.
     Regentin. Und ich mцchte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr
empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder  sagte, wie er's denkt, als daц?
er fцrmliche Episteln unterschreibt, die ein Staatssekretц?r aufsetzt.
     Machiavell. Sollte man nicht einsehen? -
     Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mцchten's gern
gesц?ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet
ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in  der Hand kommt.  O mir ist's, als
wenn ich den Kцnig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sц?he.
     Machiavell. So lebhaft?
     Regentin.  Es  fehlt  kein  Zug.  Es  sind gute  Menschen  drunter. Der
ehrliche Rodrich, der so  erfahren und  mц?ц?ig ist, nicht zu hoch will, und
doch nichts fallen lц?ц?t,  der gerade  Alonzo, der  fleiц?ige Freneda,  der
feste Las  Vargas, und  noch  einige,  die  mitgehen,  wenn  die gute Partei
mц?chtig wird. Da sitzt aber der hohlц?ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne
und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen  den  Zц?hnen  von  Weibergц?te,
unzeitigem Nachgeben  und  daц? Frauen  wohl  von  zugerittenen Pferden sich
tragen lassen, selbst  aber schlechte Stallmeister sind, und solche Spц?ц?e,
die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhцren mц?ssen.
     Machiavell. Ihr habt zu dem Gemц?lde einen guten Farbentopf gewц?hlt.
     Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In  meiner  ganzen Schattierung, aus
der  ich  allenfalls malen kцnnte, ist  kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz
wie  Albas Gesichtsfarbe und  als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist  bei
ihm gleich  ein  Gotteslц?sterer,  ein  Majestц?tsschц?nder: denn aus diesem
Kapitel  kann  man  sie  alle  sogleich rц?dern,  pfц?hlen,  vierteilen  und
verbrennen. - Das Gute, was  ich hier getan habe, sieht  gewiц? in der Ferne
wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hц?ngt er sich an jeden Mutwillen,
der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist;  und es wird  dem
Kцnige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und Tollkц?hnheit,  daц?  er
sich vorstellt,  sie  frц?ц?en sich  hier einander auf, wenn eine  flц?chtig
vorц?bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist.
Da faц?t er einen recht herzlichen Haц? auf  die armen Leute; sie kommen ihm
abscheulich,  ja wie Tiere  und  Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und
Schwert um und wц?hnt, so bц?ndige man Menschen.
     Machiavell. Ihr scheint mir zu  heftig, Ihr  nehmt  die  Sache zu hoch.
Bleibt Ihr nicht Regentin?
     Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich  bin in
Staatsgeschц?ften  alt  genug  geworden,   um   zu  wissen,  wie  man  einen
verdrц?ngt,  ohne  ihm  seine Bestallung  zu nehmen.  -  Erst wird  er  eine
Instruktion bringen, die  wird unbestimmt  und schief sein; er  wird um sich
greifen, denn er hat  die Gewalt; und  wenn  ich mich beklage, wird  er eine
geheime  Instruktion  vorschц?tzen;  wenn ich sie sehen  will, wird er  mich
herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz
was  anders enthц?lt; und wenn ich mich  da nicht  beruhige, gar nicht  mehr
tun, als wenn ich redete. - Indes wird er,  was ich fц?rchte, getan, und was
ich wц?nsche, weit abwц?rts gelenkt haben.
     Machiavell. Ich wollt', ich kцnnt' Euch widersprechen.
     Regentin.  Was  ich mit  unsц?glicher Geduld beruhigte,  wird er  durch
Hц?rte und  Grausamkeiten wieder aufhetzen;  ich werde vor meinen Augen mein
Werk verloren sehen und ц?berdies noch seine Schuld zu tragen haben.
     Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit.
     Regentin. So viel Gewalt hab  ich  ц?ber mich, um stille zu  sein. Laц?
ihn kommen;  ich  werde  ihm mit der  besten Art Platz machen, eh'  er  mich
verdrц?ngt.
     Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt?
     Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist,  wer's
hergebracht hat, daц? jeden  Tag das Schicksal von Tausenden  in seiner Hand
liegt, steigt  vom Throne wie ins Grab. Aber besser  so, als einem Gespenste
gleich  unter  den  Lebenden  bleiben  und  mit  hohlem  Ansehn einen  Platz
behaupten wollen, den ihm  ein  anderer  abgeerbt hat  und  nun  besitzt und
genieц?t.

     Klц?rchens Wohnung
     Klц?rchen. Mutter.
     Mutter.  So  eine  Liebe  wie Brackenburgs  hab  ich  nie  gesehen; ich
glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten.
     Klц?rchen (geht in der Stube auf und ab, ein  Lied zwischen den  Lippen
summend).
     Glц?cklich allein
     Ist die Seele, die liebt.

     Mutter.  Er vermutet deinen Umgang mit  Egmont; und ich glaube, wenn du
ihm ein wenig freundlich tц?test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch.
     Klц?rchen (singt).
     Freudvoll
     Und leidvoll,
     Gedankenvoll sein,
     Langen
     Und bangen
     In schwebender Pein,
     Himmelhoch jauchzend,
     Zum Tode betrц?bt -
     Glц?cklich allein
     Ist die Seele, die liebt.

     Mutter. Laц? das Heiopopeia.
     Klц?rchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein krц?ftig Lied. Hab ich doch
schon manchmal ein groц?es Kind damit schlafen gewiegt.
     Mutter. Du hast  doch  nichts im  Kopfe als deine Liebe. Vergц?ц?est du
nur nicht alles ц?ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten,
sag ich dir. Er kann dich noch einmal glц?cklich machen.
     Klц?rchen. Er?
     Mutter. O ja! es kommt eine  Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus  und
ц?berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schцne  Liebe,  alles hat
sein  Ende;  und es  kommt eine Zeit, wo man  Gott dankt, wenn man  irgendwo
unterkriechen kann.
     Klц?rchen (schaudert, schweigt und fц?hrt auf). Mutter, laц?t  die Zeit
kommen  wie den Tod. Dran  vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt!
Wenn  wir mц?ssen  -  dann  - wollen wir  uns  gebц?rden, wie wir kцnnen  -
Egmont,  ich  dich  entbehren! - (In Trц?nen.) Nein, es ist nicht  mцglich,
nicht mцglich.
     Egmont  (in  einem  Reitermantel,  den  Hut  ins   Gesicht  gedrц?ckt).
Klц?rchen!
     Klц?rchen (tut einen Schrei, fц?hrt zurц?ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn
zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und  ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, Sц?ц?er!
Kommst du? bist du da!
     Egmont. Guten Abend, Mutter.
     Mutter. Gott grц?ц?' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen,
daц? Ihr so  lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch  geredet
und gesungen.
     Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen?
     Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hц?tten.
     Klц?rchen.  Freilich!  Seid  nur ruhig, Mutter;  ich habe  schon  alles
darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter.
     Mutter. Schmal genug.
     Klц?rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab  ich
gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groц?en  Appetit haben, wenn ich
bei ihm bin.
     Egmont. Meinst du?
     Klц?rchen (stampft mit dem Fuц?e und kehrt sich unwillig um).
     Egmont. Wie ist dir?
     Klц?rchen.  Wie seid Ihr heute so kalt!  Ihr habt  mir noch keinen Kuц?
angeboten.  Warum  habt  Ihr  die  Arme  in  den  Mantel  gewickelt wie  ein
Wochenkind? Ziemt  keinem Soldaten noch  Liebhaber, die Arme eingewickelt zu
haben.
     Egmont. Zuzeiten,  Liebchen,  zuzeiten.  Wenn der  Soldat auf der Lauer
steht  und  dem  Feinde etwas ablisten mцchte, da  nimmt er  sich zusammen,
faц?t  sich selbst in seine Arme und  kaut  seinen  Anschlag reif.  Und  ein
Liebhaber -
     Mutter. Wollt  Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen?  Ich
muц? in die Kц?che; Klц?rchen denkt  an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mц?ц?t
fц?rliebnehmen.
     Egmont. Euer guter Wille ist die beste Wц?rze. (Mutter ab.)
     Klц?rchen. Und was wц?re denn meine Liebe?
     Egmont. So viel du willst.
     Klц?rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt.
     Egmont. Zuvцrderst also. (Er wirft den  Mantel  ab  und steht in einem
prц?chtigen Kleide da.)
     Klц?rchen. O je!
     Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.)
     Klц?rchen.  Laц?t!  Ihr  verderbt  Euch.   (Sie  tritt  zurц?ck.)   Wie
prц?chtig! Da darf ich Euch nicht anrц?hren.
     Egmont. Bist  du  zufrieden?  Ich  versprach  dir, einmal  spanisch  zu
kommen.
     Klц?rchen.  Ich bat  Euch zeither  nicht  mehr  drum;  ich dachte,  Ihr
wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies!
     Egmont. Da siehst du's nun.
     Klц?rchen. Das hat dir der Kaiser umgehц?ngt?
     Egmont. Ja,  Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trц?gt, die
edelsten  Freiheiten.  Ich  erkenne auf  Erden  keinen  Richter ц?ber  meine
Handlungen als den Groц?meister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der
Ritter.
     Klц?rchen. O du dц?rftest die  ganze Welt  ц?ber dich richten lassen. -
Der Sammet ist gar zu herrlich,  und die Passementarbeit! und das Gestickte!
- Man weiц? nicht, wo man anfangen soll.
     Egmont. Sieh dich nur satt.
     Klц?rchen. Und  das Goldne Vlies! Ihr erzц?hltet mir die Geschichte und
sagtet, es sei ein Zeichen alles Groц?en und Kostbaren, was man mit Mц?h und
Fleiц? verdient und erwirbt. Es ist sehr  kostbar  - ich kann's deiner Liebe
vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach -
     Egmont. Was willst du sagen?
     Klц?rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht.
     Egmont. Wieso?
     Klц?rchen. Ich  habe  sie nicht mit  Mц?h  und  Fleiц? erworben,  nicht
verdient.
     Egmont. In  der  Liebe ist es anders. Du verdienst  sie, weil  du  dich
nicht  darum bewirbst - und die Leute  erhalten sie auch  meist  allein, die
nicht darnach jagen.
     Klц?rchen.  Hast du das  von  dir  abgenommen?  Hast  du  diese  stolze
Anmerkung ц?ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt?
     Egmont. Hц?tt' ich nur etwas fц?r sie getan! kцnnt' ich etwas fц?r sie
tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben.
     Klц?rchen. Du warst gewiц? heute bei der Regentin?
     Egmont. Ich war bei ihr.
     Klц?rchen. Bist du gut mit ihr?
     Egmont.  Es  sieht einmal so  aus.  Wir sind  einander  freundlich  und
dienstlich.
     Klц?rchen. Und im Herzen?
     Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat  seine eignen  Absichten. Das  tut
nichts zur Sache. Sie ist eine  treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sц?he
tief genug, wenn sie  auch  nicht argwцhnisch wц?re. Ich  mache ihr viel zu
schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse  sucht,  und ich
keine habe.
     Klц?rchen. So gar keine?
     Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in
den  Fц?ssern  an   mit  der  Zeit.  Oranien  ist  doch  noch  eine  bessere
Unterhaltung fц?r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit
gesetzt, daц? er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht  sie immer nach
seiner  Stirne, was  er  wohl denken, auf seine Schritte, wohin  er sie wohl
richten mцchte.
     Klц?rchen. Verstellt sie sich?
     Egmont. Regentin, und du fragst?
     Klц?rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch?
     Egmont.  Nicht mehr und nicht  weniger als  jeder, der  seine Absichten
erreichen will.
     Klц?rchen. Ich kцnnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch
einen mц?nnlichen Geist,  sie  ist ein  ander  Weib als wir Nц?hterinnen und
Kцchinnen. Sie ist groц?, herzhaft, entschlossen.
     Egmont. Ja,  wenn's nicht  gar zu bunt geht.  Diesmal ist sie doch  ein
wenig aus der Fassung.
     Klц?rchen. Wieso?
     Egmont. Sie  hat  auch  ein Bц?rtchen  auf  der Oberlippe, und manchmal
einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone!
     Klц?rchen.  Eine  majestц?tische Frau!  Ich scheute mich,  vor  sie  zu
treten.
     Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wц?re  auch nicht Furcht,
nur jungfrц?uliche Scham.
     Klц?rchen (schlц?gt  die Augen nieder,  nimmt seine Hand und lehnt sich
an ihn).
     Egmont.  Ich  verstehe  dich!  liebes  Mц?dchen!  du  darfst  die Augen
aufschlagen. (Er kц?ц?t ihre Augen.)
     Klц?rchen. Laц? mich schweigen! Laц? mich dich halten. Laц? mich dir in
die  Augen  sehen;  alles  drin  finden,  Trost und Hoffnung und  Freude und
Kummer.  (Sie  umarmt  ihn und sieht ihn an.)  Sag  mir! Sage!  ich begreife
nicht!  bist  du Egmont?  der  Graf Egmont? der groц?e  Egmont,  der so viel
Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hц?ngen?
     Egmont. Nein, Klц?rchen, das bin ich nicht.
     Klц?rchen. Wie?
     Egmont. Siehst du,  Klц?rchen! - Laц? mich sitzen! (Er  setzt sich, sie
kniet vor ihn auf einen Schemel,  legt ihr Arme auf  seinen Schoц? und sieht
ihn an.) Jener Egmont  ist ein verdrieц?licher, steifer, kalter Egmont,  der
an sich  halten,  bald  dieses bald  jenes  Gesicht  machen  muц?;  geplagt,
verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fц?r froh und frцhlich halten;
geliebt von einem Volke, das nicht  weiц?, was es  will;  geehrt und in  die
Hцhe  getragen von einer Menge,  mit der nichts anzufangen ist; umgeben von
Freunden, denen er sich nicht ц?berlassen darf; beobachtet von Menschen, die
ihm  auf alle Weise  beikommen mцchten; arbeitend  und  sich bemц?hend, oft
ohne Zweck  meist ohne Lohn -  O laц? mich schweigen, wie es dem ergeht, wie
es dem zumute ist. Aber dieser, Klц?rchen, der ist ruhig, offen, glц?cklich,
geliebt und gekannt von dem  besten Herzen,  das auch er ganz  kennt und mit
voller  Liebe  und Zutrauen  an das seine drц?ckt.  (Er umarmt sie.) Das ist
dein Egmont!
     Klц?rchen. So laц? mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese!
     Vierter Aufzug
     Straц?e
     Jetter. Zimmermeister.
     Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort!
     Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig.
     Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues?
     Zimmermeister. Nichts, als daц? uns von Neuem zu reden verboten ist.
     Jetter. Wie?
     Zimmermeister.  Tretet hier ans  Haus an. Hц?tet  Euch!  Der Herzog von
Alba hat gleich  bei  seiner Ankunft einen  Befehl ausgehen lassen,  dadurch
zwei oder drei, die auf der Straц?e  zusammen sprechen, des Hochverrats ohne
Untersuchung schuldig erklц?rt sind.
     Jetter. O weh!
     Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen
zu reden.
     Jetter. O unsre Freiheit!
     Zimmermeister. Und  bei  Todesstrafe  soll niemand die  Handlungen  der
Regierung miц?billigen.
     Jetter. O unsre Kцpfe!
     Zimmermeister.  Und  mit  groц?em Versprechen  werden  Vц?ter, Mц?tter,
Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des
Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren.
     Jetter. Gehn wir nach Hause.
     Zimmermeister.  Und den Folgsamen  ist versprochen, daц?  sie weder  an
Leibe, noch Ehre, noch Vermцgen einige Krц?nkung erdulden sollen.
     Jetter. Wie gnц?dig!  War mir's doch gleich weh, wie  der Herzog in die
Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wц?re der Himmel mit einem schwarzen
Flor ц?berzogen und hinge so tief herunter, daц? man sich bц?cken mц?sse, um
nicht dran zu stoц?en.
     Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist
eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren.
     Jetter. Pfui! Es schnц?rt einem das Herz ein, wenn  man so einen Haufen
die Gassen hinab marschieren  sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein
Tritt, soviel  ihrer  sind. Und wenn sie auf  der Schildwache stehen und  du
gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte,
und  sieht so  steif  und  mц?rrisch  aus,  daц? du  auf allen  Ecken  einen
Zuchtmeister  zu sehen glaubst.  Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war
doch noch  ein  lustig  Volk;  sie  nahmen  sich  was  heraus,  standen  mit
ausgegrц?tschten  Beinen da, hatten  den Hut ц?berm Ohr, lebten  und lieц?en
leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt.
     Zimmermeister. Wenn so einer ruft. б'Halt!б' und anschlц?gt, meinst du,
man hielte?
     Jetter. Ich wц?re gleich des Todes.
     Zimmermeister. Gehn wir nach Hause.
     Jetter. Es wird nicht gut. Adieu.
     (Soest tritt dazu.)
     Soest. Freunde! Genossen!
     Zimmermeister. Still! Laц?t uns gehen.
     Soest. Wiц?t ihr?
     Jetter. Nur zu viel!
     Soest. Die Regentin ist weg.
     Jetter. Nun gnad' uns Gott!
     Zimmermeister. Die hielt uns noch.
     Soest. Auf  einmal und in der Stille.  Sie  konnte sich mit dem  Herzog
nicht  vertragen;  sie  lieц?  dem Adel melden,  sie  komme wieder.  Niemand
glaubt's.
     Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daц?  er uns diese neue Geiц?el
ц?ber den  Hals  gelassen  hat.  Sie  hц?tten  es  abwenden  kцnnen.  Unsre
Privilegien sind hin.
     Jetter. Um Gottes willen  nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch
von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken.
     Soest. Oranien ist auch weg.
     Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen!
     Soest. Graf Egmont ist noch da.
     Jetter. Gott sei Dank! Stц?rken ihn alle Heiligen, daц? er sein  Bestes
tut; der ist allein was vermцgend.
     (Vansen tritt auf.)
     Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind?
     Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fц?rbaц?.
     Vansen. Ihr seid nicht hцflich.
     Zimmermeister.  Es ist gar keine  Zeit zu Komplimenten.  Juckt Euch der
Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt?
     Vansen.  Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf Schlц?ge
was gegeben hц?tte, wц?re sein Tage nichts aus mir geworden.
     Jetter. Es kann ernstlicher werden.
     Vansen. Ihr spц?rt  von dem Gewitter, das aufsteigt, eine  erbц?rmliche
Mattigkeit in den Gliedern, scheint's.
     Zimmermeister. Deine Glieder  werden  sich  bald woanders  eine  Motion
machen, wenn du nicht ruhst.
     Vansen.  Armselige Mц?use,  die  gleich verzweifeln,  wenn der Hausherr
eine neue Katze anschafft! Nur ein biц?chen  anders; aber wir  treiben unser
Wesen vor wie nach, seid nur ruhig.
     Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts.
     Vansen.  Gevatter  Tropf! Laц?  du den Herzog  nur gewц?hren.  Der alte
Kater sieht aus,  als wenn er  Teufel  statt  Mц?use  gefressen  hц?tte  und
kцnnte sie nun nicht  verdauen. Laц?t  ihn  nur  erst; er  muц? auch essen,
trinken, schlafen  wie andere Menschen.  Es ist  mir nicht  bange,  wenn wir
unsere  Zeit  recht nehmen. Im  Anfange  geht's rasch; nachher wird  er auch
finden, daц? in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben  ist und
des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne Mц?uschen zu erlisten.
Geht nur, ich kenne die Statthalter.
     Zimmermeister. Was  so  einem  Menschen  alles  durchgeht!  Wenn ich in
meinem Leben  so etwas  gesagt  hц?tte,  hielt'  ich mich  keine Minute fц?r
sicher.
     Vansen.  Seid  nur  ruhig!  Gott im Himmel  erfц?hrt  nichts  von  euch
Wц?rmern, geschweige der Regent.
     Jetter. Lц?stermaul!
     Vansen.  Ich weiц?  andere, denen  es  besser wц?re,  sie hц?tten statt
ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe.
     Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen?
     Vansen. Hm! den Grafen mein ich.
     Jetter. Egmont! Was soll der fц?rchten?
     Vansen. Ich  bin ein armer Teufel und kцnnte ein ganzes Jahr leben von
dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kцnnt' er mir sein Einkommen
eines ganzen  Jahres geben,  wenn er  meinen  Kopf  auf  eine  Viertelstunde
hц?tte.
     Jetter. Du  denkst  dich was Rechts. Egmonts  Haare sind gescheiter als
dein Hirn.
     Vansen. Redt  Ihr! Aber  nicht feiner.  Die  Herren betriegen  sich  am
ersten. Er sollte nicht trauen.
     Jetter. Was er schwц?tzt! So ein Herr!
     Vansen. Eben weil er kein Schneider ist.
     Jetter. Ungewaschen Maul!
     Vansen. Dem  wollt'  ich Eure  Courage  nur  eine Stunde in die Glieder
wц?nschen, daц? sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte  und juckte,
bis er aus der Stadt mц?ц?te.
     Jetter. Ihr redet recht unverstц?ndig; er  ist so  sicher wie der Stern
am Himmel.
     Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er!
     Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun?
     Vansen. Wer will? Willst  du's  etwa  hindern? Willst du einen  Aufruhr
erregen, wenn sie ihn gefangennehmen?
     Jetter. Ah!
     Vansen. Wollt ihr eure Rippen fц?r ihn wagen?
     Soest. Eh!
     Vansen  (sie nachц?ffend). Ih! Oh! Uh!  Verwundert  euch  durchs  ganze
Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn!
     Jetter.  Ich  erschrecke  ц?ber  Eure Unverschц?mtheit.  So ein  edler,
rechtschaffener Mann sollte was zu befц?rchten haben?
     Vansen.   Der   Schelm    sitzt   ц?berall   im    Vorteil.   Auf   dem
Armensц?nderstц?hlchen  hat er den  Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl
macht er den Inquisiten  mit Lust zum Verbrecher. Ich habe  so ein Protokoll
abzuschreiben  gehabt, wo  der  Kommissarius  schwer Lob  und  Geld vom Hofe
erhielt, weil  er  einen ehrlichen Teufel,  an den man wollte, zum  Schelmen
verhцrt hatte.
     Zimmermeister.  Das  ist  wieder frisch  gelogen. Was wollen  sie  denn
heraus verhцren, wenn einer unschuldig ist?
     Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhцren ist, da verhцrt man
hinein.  Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt  man erst
recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine  Unschuld,  wie sie's
heiц?en,  und  sagt  alles geradezu, was  ein  Verstц?ndiger verbц?rge. Dann
macht der Inquisitor  aus den Antworten wieder Fragen und paц?t ja  auf,  wo
irgendein  Widersprц?chelchen erscheinen will; da knц?pft  er seinen  Strick
an, und lц?ц?t sich der dumme Teufel betreten, daц?  er  hier etwas zu viel,
dort etwas  zu wenig gesagt  oder wohl gar aus  Gott  weiц?  was  fц?r einer
Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch  wohl irgend an  einem Ende sich
hat  schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich  versichre
euch, mit mehr Sorgfalt  suchen die  Bettelweiber nicht die  Lumpen  aus dem
Kehricht,  als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen,
verrц?ckten,  verdrц?ckten, geschlossenen, bekannten,  geleugneten  Anzeigen
und    Umstц?nden    sich    endlich    einen    strohlumpenen    Vogelscheu
zusammenkц?nstelt,  um wenigstens seinen  Inquisiten  in  effigie hц?ngen zu
kцnnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hц?ngen
sehen.
     Jetter. Der hat eine gelц?ufige Zunge.
     Zimmermeister.  Mit Fliegen  mag das angehen. Die Wespen  lachen  Eures
Gespinstes.
     Vansen.  Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange  Herzog hat euch  so
ein rein Ansehn  von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbц?uchigen, die sind
weniger schlimm, aber so einer langfц?ц?igen, schmalleibigen, die vom Fraц?e
nicht feist wird und recht dц?nne Fц?den zieht, aber desto zц?here.
     Jetter. Egmont ist Ritter des  Goldnen  Vlieses; wer darf Hand  an  ihn
legen?  Nur von seinesgleichen kann  er gerichtet  werden, nur vom  gesamten
Orden.  Dein loses Maul, dein  bцses Gewissen  verfц?hren  dich  zu solchem
Geschwц?tz.
     Vansen. Will ich  ihm  darum  ц?bel? Mir kann's recht sein. Es ist  ein
trefflicher  Herr.  Ein  paar  meiner  guten  Freunde, die anderwц?rts schon
wц?ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll Schlц?ge verabschiedet.
Nun  geht! Geht!  Ich rat  es euch  selbst. Dort  seh ich wieder eine  Runde
antreten; die sehen  nicht aus, als  wenn sie so bald Brц?derschaft mit  uns
trinken wц?rden. Wir  wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich  hab ein
paar Nichten  und einen Gevatter Schenkwirt;  wenn  sie  von  denen gekostet
haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte Wцlfe.
     Der Culenburgische Palast
     Wohnung des Herzogs von Alba
     Silva und Gomez begegnen einander.
     Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet?
     Gomez. Pц?nktlich. Alle tц?gliche Runden sind  beordert, zur bestimmten
Zeit an verschiedenen Plц?tzen einzutreffen, die ich ihnen  bezeichnet habe;
sie gehen indes,  wie gewцhnlich, durch die Stadt, um Ordnung  zu erhalten.
Keiner weiц? von dem andern;  jeder glaubt, der Befehl gehe  ihn allein  an,
und  in  einem Augenblick kann alsdann  der Kordon gezogen und alle Zugц?nge
zum Palast kцnnen besetzt sein. Weiц?t du die Ursache dieses Befehls?
     Silva.  Ich bin  gewohnt,  blindlings zu  gehorchen.  Und  wem gehorcht
sich's  leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daц? er recht
befohlen hat?
     Gomez.  Gut!  Gut!  Auch  scheint  es  mir  kein  Wunder,  daц?  du  so
verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muц?t.  Mir
kommt  es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin.
An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das Schwц?tzen und
Rц?sonieren angewцhnt. Ihr  schweigt alle und laц?t  es euch nie wohl sein.
Der Herzog gleicht mir  einem ehrnen  Turm  ohne Pforte, wozu die  Besatzung
Flц?gel  hц?tte.  Neulich  hцrt'  ich  ihn   bei  Tafel  von  einem  frohen
freundlichen Menschen sagen: er  sei wie eine  schlechte  Schenke  mit einem
ausgesteckten  Branntweinzeichen,   um  Mц?ц?iggц?nger,  Bettler  und  Diebe
hereinzulocken.
     Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefц?hrt?
     Gomez. Dagegen ist nichts  zu sagen.  Gewiц?! Wer Zeuge seiner Klugheit
war,  wie er die Armee aus  Italien hierher brachte, der hat etwas  gesehen.
Wie er  sich durch Freund  und Feind, durch die  Franzosen, Kцniglichen und
Ketzer, durch  die Schweizer  und Verbundnen gleichsam  durchschmiegte,  die
strengste  Mannszucht hielt  und  einen Zug, den man so gefц?hrlich achtete,
leicht  und  ohne Anstoц? zu leiten wuц?te!  -  Wir haben  was gesehen,  was
lernen kцnnen.
     Silva.  Auch  hier!  Ist  nicht  alles still  und  ruhig, als wenn kein
Aufstand gewesen wц?re?
     Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen.
     Silva. In den  Provinzen ist es  viel  ruhiger geworden;  und wenn sich
noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die
Wege bald versperren, denk ich.
     Gomez. Nun wird er erst die Gunst des Kцnigs gewinnen.
     Silva. Und  uns  bleibt  nichts  angelegener, als uns  die  seinige  zu
erhalten. Wenn der Kцnig hieherkommt,  bleibt gewiц? der Herzog  und jeder,
den er empfiehlt, nicht unbelohnt.
     Gomez. Glaubst du, daц? der Kцnig kommt?
     Silva.  Es  werden   so  viele  Anstalten  gemacht,   daц?  es  hцchst
wahrscheinlich ist.
     Gomez. Mich ц?berreden sie nicht.
     Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des Kцnigs Absicht ja
nicht  sein sollte zu kommen,  so ist sie's doch wenigstens gewiц?, daц? man
es glauben soll.
     (Ferdinand, Albas natц?rlicher Sohn.)
     Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus?
     Silva. Wir warten auf ihn.
     Ferdinand. Die Fц?rsten werden bald hier sein.
     Gomez. Kommen sie heute?
     Ferdinand. Oranien und Egmont.
     Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas.
     Silva. So behalt es fц?r dich.
     (Herzog  von Alba. -  Wie er herein- und hervortritt, treten die andern
zurц?ck.)
     Alba. Gomez.
     Gomez (tritt vor). Herr!
     Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert?
     Gomez. Aufs genaueste. Die tц?glichen Runden -
     Alba.  Genug.  Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick
sagen, wenn du sie  zusammenziehen, die Zugц?nge  nach  dem  Palast besetzen
sollst. Das ц?brige weiц?t du.
     Gomez. Ja, Herr! (Ab.)
     Alba. Silva!
     Silva. Hier bin ich.
     Alba.   Alles,  was  ich  von  jeher  an  dir  geschц?tzt   habe,  Mut,
Entschlossenheit, unaufhaltsames Ausfц?hren, das zeige heut.
     Silva.  Ich  danke Euch, daц? Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen,  daц?
ich der alte bin.
     Alba.  Sobald die Fц?rsten bei mir eingetreten sind, dann eile  gleich,
Egmonts  Geheimschreiber  gefangenzunehmen. Du hast  alle Anstalten gemacht,
die ц?brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen?
     Silva.  Vertraue  auf   uns.  Ihr   Schicksal  wird   sie,   wie   eine
wohlberechnete Sonnenfinsternis, pц?nktlich und schrecklich treffen.
     Alba. Hast du sie genau beobachten lassen?
     Silva. Alle; den  Egmont vor andern. Er  ist der einzige, der, seit  du
hier bist, sein Betragen nicht geц?ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd
aufs andere,  ladet Gц?ste,  ist immer  lustig und  unterhaltend bei  Tafel,
wц?rfelt,  schieц?t und  schleicht  nachts  zum  Liebchen.  Die andern haben
dagegen eine merkliche  Pause in ihrer  Lebensart  gemacht; sie  bleiben bei
sich; vor ihrer Tц?re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wц?re.
     Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen.
     Silva.  Ich stelle sie.  Auf  deinen  Befehl ц?berhц?ufen  wir sie  mit
dienstfertigen  Ehren.   Ihnen  graut's;  politisch  geben  sie   uns  einen
ц?ngstlichen Dank, fц?hlen, das Rц?tlichste sei, zu entfliehen, keiner  wagt
einen Schritt, sie zaudern, kцnnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas
Kц?hnes zu tun,  hц?lt sie der Gemeingeist ab.  Sie mцchten gern sich jedem
Verdacht  entziehen  und machen sich  immer verdц?chtiger. Schon seh ich mit
Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefц?hrt.
     Alba. Ich freue mich nur ц?ber das Geschehene; und auch ц?ber das nicht
leicht; denn es bleibt stets noch  ц?brig, was  uns  zu denken und zu sorgen
gibt. Das  Glц?ck ist  eigensinnig, oft das  Gemeine,  das Nichtswц?rdige zu
adeln  und  wohlц?berlegte  Taten mit  einem  gemeinen  Ausgang zu entehren.
Verweile, bis die Fц?rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die Straц?en zu
besetzen,   und   eile  selbst,   Egmonts   Schreiber   und   die   ц?brigen
gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und
meld es meinem Sohne, daц? er mir in den Rat die Nachricht bringe.
     Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dц?rfen.
     (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.)
     Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber  meine Hoffnung  schwankt.
Ich  fц?rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir,
die  still  und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der  Fц?rsten und
vieler  Tausende wц?gen.  Langsam  wankt  das  Zц?nglein  auf  und  ab; tief
scheinen  die  Richter zu sinnen; zuletzt sinkt  diese  Schale, steigt jene,
angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.)
     (Alba mit Ferdinand hervortretend.)
     Alba. Wie fandst du die Stadt?
     Ferdinand.  Es  hat  sich  alles  gegeben.   Ich  ritt,   als  wie  zum
Zeitvertreib,  straц?auf,  straц?ab.  Eure wohlverteilten  Wachen halten die
Furcht so angespannt, daц? sie  sich nicht zu lispeln untersteht.  Die Stadt
sieht  einem  Felde  ц?hnlich, wenn  das  Gewitter  von weitem leuchtet; man
erblickt  keinen  Vogel, kein Tier, als  das  eilend nach  einem  Schutzorte
schlц?pft.
     Alba. Ist dir nichts weiter begegnet?
     Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grц?ц?ten
uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben  muц?te. б'Laц?t uns eilen,
Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!б'  rief er mir entgegen. Er
werde mich  noch heute  wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen,
mit Euch zu ratschlagen.
     Alba. Er wird dich wiedersehn.
     Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier  kenne, gefц?llt er mir am
besten. Es scheint, wir werden Freunde sein.
     Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig  behutsam;  immer  erkenn
ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie  unbedingt in  die Arme
lieferte. Zu mancher gefц?hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig
ein.
     Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam.
     Alba. Ich  vergebe deinem jungen  Blute dies leichtsinnige  Wohlwollen,
diese  unachtsame  Frцhlichkeit. Nur  vergiц?  nicht, zu welchem  Werke ich
gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mцchte.
     Ferdinand.  Erinnert  mich, und  schont mich nicht,  wo Ihr  es  nцtig
haltet.
     Alba (nach einer Pause). Mein Sohn!
     Ferdinand. Mein Vater!
     Alba. Die Fц?rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht
Miц?trauen, daц? ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden
nicht wieder von hinnen gehn.
     Ferdinand. Was sinnst du?
     Alba. Es ist beschlossen, sie  festzuhalten. - Du erstaunst! Was du  zu
tun hast, hцre;  die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt
bleibt keine  Zeit,  sie  auszulegen.  Mit  dir  allein  wц?nscht'  ich  das
Grцц?te,  das   Geheimste  zu   besprechen;  ein  starkes  Band  hц?lt  uns
zusammengefesselt; du bist mir  wert und  lieb; auf dich  mцcht' ich  alles
hц?ufen.  Nicht  die  Gewohnheit  zu   gehorchen  allein   mцcht'  ich  dir
einprц?gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufц?hren, wц?nscht'
ich  in dir  fortzupflanzen;  dir  ein  groц?es  Erbteil,  dem  Kцnige  den
brauchbarsten Diener zu  hinterlassen; dich mit dem  Besten,  was  ich habe,
auszustatten, daц? du dich nicht  schц?men dц?rfest, unter  deine Brц?der zu
treten.
     Ferdinand. Was werd ich dir nicht fц?r diese Liebe schuldig, die du mir
allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert!
     Alba. Nun hцre, was zu tun ist. Sobald die  Fц?rsten eingetreten sind,
wird  jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird
eilen,  Egmonts  Schreiber  mit  den  Verdц?chtigsten  gefangenzunehmen.  Du
hц?ltst  die  Wache am Tore und in  den  Hцfen in Ordnung. Vor allen Dingen
besetze diese  Zimmer hier neben mit den sichersten  Leuten;  dann warte auf
der  Galerie, bis  Silva  wiederkommt, und bringe  mir irgendein unbedeutend
Blatt herein, zum Zeichen, daц? sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im
Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte  Egmont hier, als ob  ich
ihm noch was zu  sagen hц?tte. Am  Ende der Galerie  fordre  Oraniens Degen,
rufe die Wache an, verwahre schnell den gefц?hrlichsten  Mann; und ich fasse
Egmont hier.
     Ferdinand. Ich gehorche, mein  Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen
und mit Sorge.
     Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groц?e Tag, den du erlebst.
     (Silva tritt herein.)
     Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht.
     Alba. Sagt' es der Bote?
     Silva. Nein, mir sagt's das Herz.
     Alba. Aus  dir spricht  mein  bцser  Genius.  (Nachdem  er  den  Brief
gelesen, winkt er beiden,  und sie ziehen  sich  in die  Galerie zurц?ck. Er
bleibt  allein  auf dem  Vorderteile.)  Er kommt nicht! Bis  auf den letzten
Augenblick verschiebt er, sich zu erklц?ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So
war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug  zu sein! -
Es rц?ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein  groц?es Werk
ist getan oder  versц?umt, unwiederbringlich versц?umt;  denn  es ist  weder
nachzuholen,  noch  zu  verheimlichen.  Lц?ngst  hatt'  ich  alles  reiflich
abgewogen, und mir auch  diesen Fall  gedacht, mir festgesetzt, was  auch in
diesem Falle zu tun  sei; und jetzt, da  es  zu  tun ist, wehr ich mir kaum,
daц? nicht  das Fц?r und Wider  mir  aufs  neue durch die Seele  schwankt. -
Ist's rц?tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf
und laц?  Egmont mit den Seinigen,  mit  so  vielen  entschlц?pfen, die nun,
vielleicht  nur  heute noch,  in  meinen  Hц?nden  sind? So  zwingt dich das
Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet!
Wie groц?, wie schцn der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im
Augenblick des Entscheidens  bist du zwischen zwei  ц?bel  gestellt; wie  in
einen Lostopf greifst  du in die  dunkle Zukunft; was du  fassest,  ist noch
zugerollt,  dir  unbewuц?t, sei's Treffer oder  Fehler! (Er wird aufmerksam,
wie  einer, der etwas hцrt, und tritt  ans  Fenster.)  Er ist es! Egmont! -
Trug dich dein Pferd  so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht
und  vor  dem  Geiste  mit  dem  blanken  Schwert,  der an  der Pforte  dich
empfц?ngt? - Steig ab! - So  bist du mit dem einen Fuц? im Grab!  und so mit
beiden!  - ja streichl'  es nur  und klopfe fц?r  seinen  mutigen Dienst zum
letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In  der Verblendung,
wie hier Egmont naht,  kann  er  dir  nicht zum  zweitenmal sich  liefern! -
Hцrt!
     (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.)
     Alba. Ihr tut, was  ich  befahl; ich  ц?ndre  meinen Willen  nicht. Ich
halte,  wie es gehn  will,  Egmont auf,  bis du mir  von Silva die Nachricht
gebracht  hast. Dann bleib  in  der  Nц?he. Auch dir raubt  das Geschick das
groц?e Verdienst, des  Kцnigs grцц?ten Feind mit  eigener Hand gefangen zu
haben.  (Zu  Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.)  Geh ihm  entgegen. (Alba  bleibt
einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.)
     (Egmont tritt auf.)
     Egmont.  Ich komme, die  Befehle des Kцnigs zu  vernehmen, zu  hцren,
welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt.
     Alba. Er wц?nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hцren.
     Egmont. ц?ber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn
hier.
     Alba. Mir tut  es  leid,  daц? er uns  eben in dieser  wichtigen Stunde
fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wц?nscht der Kцnig, wie diese Staaten wieder
zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr  werdet krц?ftig  mitwirken, diese Unruhen
zu stillen und die Ordnung der Provinzen vцllig und dauerhaft zu grц?nden.
     Egmont.  Ihr  kцnnt besser  wissen  als  ich,  daц? schon alles  genug
beruhigt  ist, ja, noch  mehr beruhigt war,  eh  die  Erscheinung der  neuen
Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die Gemц?ter bewegte.
     Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das Rц?tlichste sei gewesen, wenn
der Kцnig mich gar nicht in den Fall gesetzt hц?tte, Euch zu fragen.
     Egmont. Verzeiht! Ob der Kцnig  das  Heer hц?tte schicken  sollen,  ob
nicht vielmehr  die  Macht seiner majestц?tischen Gegenwart allein  stц?rker
gewirkt hц?tte, ist meine Sache nicht  zu beurteilen.  Das Heer ist  da,  er
nicht. Wir aber mц?ц?ten sehr undankbar, sehr  vergessen sein, wenn  wir uns
nicht  erinnerten,  was wir der Regentin  schuldig  sind.  Bekennen wir! Sie
brachte durch ihr so kluges als  tapferes Betragen die Aufrц?hrer mit Gewalt
und Ansehn, mit ц?berredung und List zur Ruhe und  fц?hrte zum Erstaunen der
Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurц?ck.
     Alba. Ich leugne es  nicht. Der  Tumult ist gestillt, und jeder scheint
in die Grenzen des Gehorsams zurц?ckgebannt. Aber hц?ngt  es nicht von eines
jeden Willkц?r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen?
Wo ist die  Macht, sie abzuhalten? Wer bц?rgt uns, daц? sie sich ferner treu
und untertц?nig  zeigen  werden? Ihr  guter Wille  ist alles Pfand,  das wir
haben.
     Egmont. Und  ist der gute  Wille  eines Volks nicht  das sicherste, das
edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein Kцnig sicherer halten, als wenn
sie alle  fц?r einen,  einer fц?r  alle  stehn?  Sicherer gegen  innere  und
ц?uц?ere Feinde?
     Alba. Wir werden uns doch  nicht ц?berreden sollen, daц?  es jetzt hier
so steht?
     Egmont.  Der Kцnig  schreibe einen Generalpardon  aus, er beruhige die
Gemц?ter;  und  bald wird  man sehen,  wie Treue und Liebe mit  dem Zutrauen
wieder zurц?ckkehrt.
     Alba. Und jeder, der die Majestц?t  des Kцnigs, der das  Heiligtum der
Religion  geschц?ndet,  ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern
zum bereiten Beispiel, daц? ungeheure Verbrechen straflos sind?
     Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der  Trunkenheit nicht eher
zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung,
wo Gewiц?heit ist, daц? die ц?bel  nicht wiederkehren werden?  Waren Kцnige
darum nicht sicherer? Werden sie nicht  von Welt und Nachwelt gepriesen, die
eine  Beleidigung ihrer Wц?rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden
sie  nicht eben deswegen  Gott gleich gehalten, der viel  zu  groц? ist, als
daц? an ihn jede Lц?sterung reichen sollte?
     Alba.  Und eben darum soll der Kцnig  fц?r die Wц?rde  Gottes  und der
Religion,  wir sollen fц?r das  Ansehn des Kцnigs streiten. Was  der  obere
abzulehnen verschmц?ht, ist unsere Pflicht zu rц?chen. Ungestraft soll, wenn
ich rate, kein Schuldiger sich freuen.
     Egmont. Glaubst du, daц?  du sie alle erreichen  wirst? Hцrt man nicht
tц?glich, daц? die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande  treibt? Die
Reichsten werden ihre  Gц?ter, sich, ihre  Kinder und Freunde flц?chten; der
Arme wird seine nц?tzlichen Hц?nde dem Nachbar zubringen.
     Alba. Sie werden, wenn  man  sie nicht  verhindern kann. Darum verlangt
der Kцnig  Rat und Tat  von jedem Fц?rsten,  Ernst  von  jedem Statthalter;
nicht  nur Erzц?hlung, wie es ist, was  werden kцnnte, wenn man alles gehen
lieц?e,  wie's  geht.  Einem  groц?en  ц?bel  zusehen,  sich  mit   Hoffnung
schmeicheln,  der  Zeit  vertrauen,  etwa   einmal  dreinschlagen,  wie   im
Fastnachtsspiel, daц?  es klatscht und man doch etwas zu  tun  scheint, wenn
man nichts tun mцchte,  heiц?t das nicht, sich verdц?chtig machen, als sehe
man  dem Aufruhr mit Vergnц?gen  zu, den  man nicht erregen, wohl aber hegen
mцchte!
     Egmont (im Begriff  aufzufahren,  nimmt sich  zusammen und spricht nach
einer  kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist  offenbar, und manches
Mannes  Absicht  ist  zu miц?deuten. Muц?  man  doch auch  von  allen Seiten
hцren: es sei des Kцnigs Absicht weniger, die Provinzen nach  einfцrmigen
und  klaren Gesetzen zu regieren, die Majestц?t der Religion  zu sichern und
einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie  unbedingt
zu unterjochen, sie ihrer  alten Rechte zu berauben, sich Meister  von ihren
Besitztц?mern  zu machen, die  schцnen Rechte des Adels einzuschrц?nken, um
derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen  mag. Die
Religion,  sagt man, sei nur  ein prц?chtiger Teppich, hinter  dem man jeden
gefц?hrlichen  Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf  den
Knien, betet  die  heiligen gewirkten  Zeichen an, und  hinten  lauscht  der
Vogelsteller, der sie berц?cken will.
     Alba. Das muц? ich von dir hцren?
     Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von Groц?en
und  von  Kleinen,  Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet  wird.  Die
Niederlц?nder fц?rchten ein doppeltes Joch, und wer bц?rgt ihnen  fц?r  ihre
Freiheit?
     Alba. Freiheit? Ein schцnes Wort, wer's recht  verstц?nde. Was  wollen
sie  fц?r Freiheit?  Was ist  des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun!  - und
daran wird sie  der Kцnig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht
frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kцnnen.  Wц?re es nicht
besser,  abzudanken,  als  ein solches  Volk zu  regieren?  Wenn auswц?rtige
Feinde  drц?ngen,  an die  kein Bц?rger  denkt,  der  mit dem Nц?chsten  nur
beschц?ftigt ist, und der Kцnig  verlangt  Beistand: dann werden sie uneins
unter sich,  und verschwцren sich gleichsam mit  ihren Feinden. Weit besser
ist's,  sie einzuengen, daц?  man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem
Besten leiten  kann. Glaube nur, ein  Volk wird nicht  alt,  nicht klug; ein
Volk bleibt immer kindisch.
     Egmont. Wie selten kommt  ein Kцnig zu Verstand! Und sollen sich viele
nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern
den wenigen des einen, dem Volke, das an  den Blicken  seines  Herrn altert.
Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden.
     Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst ц?berlassen ist.
     Egmont. Und  darum niemand gern sich  selbst ц?berlassen  mцchte.  Man
tue, was man will; ich habe auf  deine Frage geantwortet  und wiederhole: Es
geht  nicht!  Es  kann nicht  gehen! Ich  kenne  meine  Landsleute.  Es sind
Mц?nner, wert,  Gottes Boden  zu  betreten;  ein jeder rund fц?r  sich,  ein
kleiner Kцnig, fest, rц?hrig, fц?hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer
ist's,  ihr  Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und  fest! Zu
drц?cken sind sie; nicht zu unterdrц?cken.
     Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in
des Kцnigs Gegenwart wiederholen?
     Egmont.  Desto  schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto
besser  fц?r  ihn,  fц?r  sein Volk,  wenn  er  mir Mut  machte, wenn er mir
Zutrauen einflцц?te, noch weit mehr zu sagen.
     Alba. Was nц?tzlich ist, kann ich hцren wie er.
     Egmont. Ich  wц?rde ihm sagen:  Leicht  kann der Hirt eine  ganze Herde
Schafe  vor sich  hintreiben,  der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand;
aber  dem  edeln  Pferde,  das  du  reiten willst,  muц?t du  seine Gedanken
ablernen, du  muц?t nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen.  Darum
wц?nscht  der  Bц?rger  seine  alte  Verfassung  zu  behalten,   von  seinen
Landsleuten regiert zu sein,  weil er weiц?, wie er  gefц?hrt wird, weil  er
von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann.
     Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu
verц?ndern?  und sollte nicht eben  dies sein  schцnstes Vorrecht sein? Was
ist bleibend auf dieser  Welt? und  sollte  eine  Staatseinrichtung  bleiben
kцnnen? Muц? nicht in einer Zeitfolge jedes Verhц?ltnis sich verц?ndern und
eben darum eine alte Verfassung die  Ursache von tausend ц?beln werden, weil
sie den gegenwц?rtigen Zustand des Volkes nicht umfaц?t? Ich fц?rchte, diese
alten  Rechte sind darum  so  angenehm, weil  sie  Schlupfwinkel  bilden, in
welchen  der Kluge,  der  Mц?chtige, zum Schaden des Volks,  zum Schaden des
Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann.
     Egmont. Und diese willkц?rlichen  Verц?nderungen, diese unbeschrц?nkten
Eingriffe der hцchsten Gewalt, sind  sie  nicht Vorboten,  daц?  einer  tun
will,  was Tausende nicht tun sollen? Er  will sich  allein frei machen,  um
jeden  seiner  Wц?nsche  befriedigen,  jeden seiner Gedanken  ausfц?hren  zu
kцnnen.  Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen Kцnige, ganz vertrauten,
sagt er  uns fц?r seine  Nachkommen gut? daц?  keiner  ohne Rц?cksicht, ohne
Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vцlliger Willkц?r, wenn
er uns seine  Diener, seine Nц?chsten  sendet, die ohne Kenntnis  des Landes
und seiner Bedц?rfnisse nach Belieben schalten und walten, keinen Widerstand
finden und sich von jeder Verantwortung frei wissen.
     Alba (der sich indes wieder umgesehen hat). Es ist nichts natц?rlicher,
als daц? ein Kцnig durch sich zu  herrschen gedenkt und denen seine Befehle
am  liebsten auftrц?gt, die  ihn am besten verstehen, verstehen wollen,  die
seinen Willen unbedingt ausrichten.
     Egmont. Und ebenso natц?rlich ist's, daц? der Bц?rger von  dem  regiert
sein will, der mit ihm geboren und erzogen ist, der gleichen Begriff mit ihm
von Recht und Unrecht gefaц?t hat, den er als seinen Bruder ansehen kann.
     Alba.  Und  doch hat der Adel mit diesen seinen  Brц?dern sehr ungleich
geteilt.
     Egmont.  Das ist vor Jahrhunderten geschehen und  wird jetzt  ohne Neid
geduldet.  Wц?rden  aber  neue  Menschen ohne  Not gesendet,  die  sich  zum
zweitenmale auf Unkosten der Nation bereichern wollten, sц?he man sich einer
strengen, kц?hnen, unbedingten Habsucht ausgesetzt; das wц?rde eine  Gц?rung
machen, die sich nicht leicht in sich selbst auflцste.
     Alba. Du sagst mir, was ich nicht hцren sollte: auch ich bin fremd.
     Egmont. Daц? ich dir's sage, zeigt dir, daц? ich dich nicht meine.
     Alba. Und auch so wц?nscht' ich es nicht  von dir zu hцren. Der Kцnig
sandte  mich  mit Hoffnung,  daц?  ich hier  den  Beistand  des Adels finden
wц?rde.  Der  Kцnig  will  seinen  Willen.  Der  Kцnig   hat  nach  tiefer
ц?berlegung gesehen, was  dem Volke frommt; es kann nicht bleiben  und gehen
wie bisher. Des Kцnigs Absicht  ist, sie  selbst  zu  ihrem  eignen  Besten
einzuschrц?nken, ihr eigenes Heil, wenn's sein muц?, ihnen aufzudringen, die
schц?dlichen  Bц?rger  aufzuopfern,  damit  die  ц?brigen  Ruhe  finden, des
Glц?cks einer weisen Regierung genieц?en kцnnen. Dies ist sein  Entschluц?;
diesen dem Adel kundzumachen habe  ich Befehl; und Rat verlang ich in seinem
Namen, wie es zu tun sei, nicht was: denn das hat er beschlossen.
     Egmont. Leider  rechtfertigen  deine Worte  die Furcht des Volkes,  die
allgemeine Furcht! So hat er  denn beschlossen, was kein Fц?rst beschlieц?en
sollte. Die  Kraft  seines Volks, ihr Gemц?t,  den Begriff, den sie von sich
selbst haben, will er schwц?chen, niederdrц?cken, zerstцren, um  sie bequem
regieren zu  kцnnen. Er will  den  innern  Kern ihrer  Eigenheit verderben;
gewiц?  in  der Absicht, sie glц?cklicher zu machen. Er will sie vernichten,
damit  sie  etwas werden, ein ander  Etwas. O wenn seine Absicht gut ist, so
wird  sie miц?geleitet! Nicht  dem Kцnige widersetzt  man sich; man  stellt
sich nur dem Kцnige entgegen, der einen falschen Weg zu wandeln, die ersten
unglц?cklichen Schritte macht.
     Alba.  Wie du gesinnt bist,  scheint es ein vergeblicher  Versuch,  uns
vereinigen  zu wollen. Du denkst  gering vom  Kцnige  und verц?chtlich  von
seinen  Rц?ten,  wenn  du zweifelst,  das  alles  sei  nicht  schon gedacht,
geprц?ft, gewogen worden. Ich habe keinen Auftrag, jedes Fц?r und Wider noch
einmal durchzugehen. Gehorsam fordre ich  von dem Volke: - und von Euch, ihr
Ersten, Edelsten, Rat und Tat, als Bц?rgen dieser unbedingten Pflicht.
     Egmont. Fordre unsre Hц?upter, so ist es auf einmal  getan. Ob sich der
Nacken diesem Joche biegen, ob er sich vor dem Beile ducken soll, kann einer
edeln Seele gleich  sein. Umsonst hab ich  so viel gesprochen: die Luft  hab
ich erschц?ttert, weiter nichts gewonnen.
     (Ferdinand kommt.)
     Ferdinand.  Verzeiht, daц? ich Euer Gesprц?ch unterbreche. Hier ist ein
Brief, dessen ц?berbringer die Antwort dringend macht.
     Alba. Erlaubt mir,  daц? ich  sehe,  was  er  enthц?lt. (Tritt  an  die
Seite.)
     Ferdinand  (zu  Egmont).  Es  ist  ein schцnes Pferd,  das  Eure Leute
gebracht haben, Euch abzuholen.
     Egmont. Es ist nicht  das schlimmste. Ich hab es schon  eine Weile; ich
denk es  wegzugeben.  Wenn es Euch  gefц?llt, so  werden  wir vielleicht des
Handels einig.
     Ferdinand. Gut, wir wollen sehn.
     (Alba winkt seinem Sohne, der sich in den Grund zurц?ckzieht.)
     Egmont.  Lebt wohl! Entlaц?t  mich: denn  ich wц?ц?te, bei  Gott! nicht
mehr zu sagen.
     Alba.  Glц?cklich  hat  dich der Zufall verhindert,  deinen  Sinn  noch
weiter zu  verraten. Unvorsichtig entwickelst  du die Falten  deines Herzens
und klagst  dich selbst weit  strenger an, als ein Widersacher gehц?ssig tun
kцnnte.
     Egmont.  Dieser Vorwurf rц?hrt mich nicht; ich kenne  mich selbst genug
und weiц?,  wie ich dem Kцnig angehцre; weit mehr als viele, die in seinem
Dienst  sich selber dienen.  Ungern scheid ich  aus diesem Streite, ohne ihn
beigelegt  zu sehen, und wц?nsche nur, daц?  uns der Dienst des  Herrn,  das
Wohl des Landes bald vereinigen mцge. Es wirkt  vielleicht ein wiederholtes
Gesprц?ch, die Gegenwart der ц?brigen Fц?rsten, die heute  fehlen,  in einem
glц?cklichern Augenblick, was  heut  unmцglich scheint. Mit dieser Hoffnung
entfern ich mich.
     Alba  (der zugleich  seinem  Sohn Ferdinand  ein Zeichen  gibt).  Halt,
Egmont! - Deinen Degen! -
     (Die Mitteltц?r цffnet sich:  man sieht die Galerie mit Wache besetzt,
die unbeweglich bleibt.)
     Egmont  (der  staunend  eine Weile geschwiegen).  Dies war die Absicht?
Dazu  hast du  mich  berufen? (Nach  dem Degen  greifend,  als wenn er  sich
verteidigen wollte.) Bin ich denn wehrlos?
     Alba. Der Kцnig befiehlt's, du bist mein Gefangener.
     (Zugleich treten von beiden Seiten Gewaffnete herein.)
     Egmont (nach einer Stille). Der Kцnig? - Oranien! Oranien! (Nach einer
Pause, seinen Degen hingebend.) So nimm ihn! Er hat weit  цfter des Kцnigs
Sache verteidigt, als diese Brust beschц?tzt.
     (Er geht durch  die Mitteltц?r ab: die Gewaffneten, die im Zimmer sind,
folgen ihm; ingleichen Albas Sohn. Alba bleibt stehen. Der Vorhang fц?llt.)
     Fц?nfter Aufzug
     Straц?e
     Dц?mmerung
     Klц?rchen. Brackenburg. Bц?rger.
     Brackenburg. Liebchen, um Gottes willen, was nimmst du vor?
     Klц?rchen. Komm mit,  Brackenburg! Du muц?t  die Menschen nicht kennen;
wir befreien ihn gewiц?. Denn was  gleicht ihrer Liebe zu ihm? Jeder fц?hlt,
ich schwцr es, in sich die brennende Begier, ihn zu retten, die Gefahr  von
einem  kostbaren   Leben  abzuwenden  und   dem   Freiesten   die   Freiheit
wiederzugeben.  Komm! Es fehlt  nur an der Stimme, die sie zusammenruft.  In
ihrer Seele lebt noch ganz frisch,  was sie ihm schuldig sind! und daц? sein
mц?chtiger  Arm allein  von  ihnen  das  Verderben  abhц?lt, wissen sie.  Um
seinet- und  ihretwillen mц?ssen  sie alles wagen.  Und  was wagen wir?  Zum
hцchsten  unser Leben,  das zu erhalten nicht  der Mц?he wert  ist, wenn er
umkommt.
     Brackenburg. Unglц?ckliche! du  siehst nicht  die  Gewalt, die  uns mit
ehernen Banden gefesselt hat.
     Klц?rchen. Sie scheint  mir nicht unц?berwindlich. Laц? uns  nicht lang
vergebliche  Worte wechseln.  Hier  kommen von den alten, redlichen, wackern
Mц?nnern! Hцrt, Freunde! Nachbarn, hцrt! - Sagt, wie ist es mit Egmont?
     Zimmermeister. Was will das Kind? Laц? sie schweigen,
     Klц?rchen. Tretet nц?her, daц? wir sachte reden, bis wir einig sind und
stц?rker.  Wir   dц?rfen  nicht  einen  Augenblick  versц?umen!  Die  freche
Tyrannei, die  es wagt,  ihn  zu  fesseln, zuckt  schon  den  Dolch,  ihn zu
ermorden. O Freunde! mit jedem Schritt der Dц?mmerung werd ich ц?ngstlicher.
Ich fц?rchte diese Nacht! Kommt! wir wollen  uns  teilen; mit schnellem Lauf
von Quartier  zu Quartier rufen wir die Bц?rger heraus. Ein jeder greife  zu
seinen alten Waffen. Auf dem Markte treffen wir uns wieder, und  unser Strom
reiц?t einen  jeden  mit sich  fort.  Die  Feinde  sehen  sich  umringt  und
ц?berschwemmt,  und sind  erdrц?ckt.  Was kann  uns  eine  Handvoll  Knechte
widerstehen? Und er in  unsrer Mitte kehrt zurц?ck,  sieht  sich befreit und
kann uns  einmal danken, uns, die  wir ihm  so tief  verschuldet worden.  Er
sieht vielleicht - gewiц? er sieht das Morgenrot am freien Himmel wieder.
     Zimmermeister. Wie ist dir, Mц?dchen?
     Klц?rchen.  Kцnnt ihr mich  miц?verstehn? Vom Grafen  sprech  ich! Ich
spreche von Egmont.
     Jetter. Nennt den Namen nicht! Er ist tцdlich.
     Klц?rchen.  Den Namen nicht! Wie? Nicht diesen  Namen?  Wer  nennt  ihn
nicht bei  jeder  Gelegenheit?  Wo  steht er  nicht  geschrieben?  In diesen
Sternen hab ich oft mit allen seinen  Lettern ihn gelesen. Nicht nennen? Was
soll das? Freunde! Gute, teure Nachbarn,  ihr  trц?umt; besinnt  euch.  Seht
mich nicht so starr und ц?ngstlich an!  Blickt nicht schц?chtern hie und  da
beiseite. Ich ruf euch ja nur zu, was jeder wц?nscht. Ist meine Stimme nicht
eures  Herzens eigne Stimme? Wer wц?rfe sich in dieser  bangen Nacht, eh' er
sein  unruhvolles Bette  besteigt, nicht auf  die Knie, ihn mit  ernstlichem
Gebet  vom Himmel zu erringen? Fragt euch einander! frage jeder sich selbst!
und wer spricht mir nicht nach: б'Egmonts Freiheit oder den Tod!б'
     Jetter. Gott bewahr' uns! Da gibt's ein Unglц?ck.
     Klц?rchen. Bleibt! Bleibt, und drц?ckt euch nicht vor seinem Namen weg,
dem   ihr  euch  sonst  so  froh  entgegendrц?ngtet!  -  Wenn  der  Ruf  ihn
ankц?ndigte, wenn es hieц?: б'Egmont kommt! Er kommt von Gent!б' da  hielten
die Bewohner der Straц?en sich glц?cklich, durch  die er reiten muц?te.  Und
wenn  ihr  seine  Pferde schallen hцrtet, warf jeder seine Arbeit hin,  und
ц?ber die  bekц?mmerten Gesichter, die ihr durchs Fenster stecktet, fuhr wie
ein Sonnenstrahl von seinem Angesichte ein Blick der Freude und Hoffnung. Da
hobt ihr eure  Kinder auf der Tц?rschwelle  in die Hцhe und deutetet ihnen:
б'Sieh,  das ist Egmont, der Grцц?te  da! Er ist's! Er  ist's,  von dem ihr
bessere Zeiten, als eure  armen  Vц?ter  lebten, einst  zu  erwarten habt.б'
Laц?t eure Kinder nicht dereinst euch  fragen: б'Wo ist er hin? Wo sind  die
Zeiten hin, die ihr verspracht?б' - Und so wechseln wir Worte! sind mц?ц?ig,
verraten ihn.
     Soest. Schц?mt Euch,  Brackenburg!  Laц?t  sie nicht gewц?hren! Steuert
dem Unheil!
     Brackenburg. Liebes Klц?rchen! wir wollen  gehen! Was wird  die  Mutter
sagen? Vielleicht -
     Klц?rchen.  Meinst  du, ich sei  ein  Kind  oder wahnsinnig?  Was  kann
vielleicht? - Von dieser schrecklichen Gewiц?heit bringst du mich mit keiner
Hoffnung weg. - Ihr  sollt mich hцren und ihr werdet:  denn ich seh's,  ihr
seid bestц?rzt und  kцnnt  euch selbst in euerm  Busen nicht  wiederfinden.
Laц?t durch die  gegenwц?rtige  Gefahr nur  einen  Blick  in  das Vergangene
dringen, das kurz  Vergangene. Wendet eure Gedanken nach der Zukunft. Kцnnt
ihr denn leben? werdet ihr, wenn er zugrunde  geht? Mit seinem  Atem  flieht
der letzte Hauch der  Freiheit.  Was war er euch? Fц?r wen  ц?bergab er sich
der dringendsten Gefahr? Seine Wunden flossen und heilten nur fц?r euch. Die
groц?e  Seele,  die  euch alle trug,  beschrц?nkt  ein  Kerker, und  Schauer
tц?ckischen  Mordes  schweben  um sie her.  Er denkt vielleicht  an euch, er
hofft auf euch, er, der nur zu geben, nur zu erfц?llen gewohnt war.
     Zimmermeister. Gevatter, kommt.
     Klц?rchen. Und ich habe nicht Arme, nicht  Mark wie ihr; doch  hab ich,
was euch  allen eben fehlt, Mut und Verachtung der Gefahr. Kцnnt' euch mein
Atem doch entzц?nden!  kцnnt' ich an meinen Busen drц?ckend euch  erwц?rmen
und  beleben! Kommt! In eurer Mitte will ich gehen! - Wie eine Fahne wehrlos
ein edles Heer  von  Kriegern wehend  anfц?hrt,  so soll mein Geist um  eure
Hц?upter flammen, und Liebe und Mut das schwankende zerstreute Volk zu einem
fц?rchterlichen Heer vereinigen.
     Jetter. Schaff sie beiseite, sie dauert mich. (Bц?rger ab.)
     Brackenburg. Klц?rchen! siehst du nicht, wo wir sind?
     Klц?rchen. Wo? Unter dem Himmel, der so oft  sich herrlicher zu wцlben
schien,  wenn  der  Edle unter ihm herging.  Aus diesen  Fenstern  haben sie
herausgesehn, vier, fц?nf Kцpfe ц?bereinander;  an diesen Tц?ren haben  sie
gescharrt und genickt, wenn er auf die  Memmen herabsah. O ich  hatte sie so
lieb, wie sie ihn  ehrten! Wц?re er Tyrann gewesen, mцchten  sie immer  vor
seinem Falle  seitwц?rts gehn. Aber sie liebten ihn! - O ihr Hц?nde, die ihr
an die Mц?tzen grifft,  zum Schwert kцnnt ihr nicht  greifen - Brackenburg,
und wir?  - Schelten wir sie? - Diese Arme, die ihn so oft fest hielten, was
tun  sie fц?r ihn? - List hat in der  Welt so viel erreicht - Du kennst Wege
und Stege, kennst das alte Schloц?. Es ist nichts  unmцglich, gib mir einen
Anschlag.
     Brackenburg. Wenn wir nach Hause gingen!
     Klц?rchen. Gut.
     Brackenburg. Dort an der Ecke seh ich Albas Wache; laц? doch die Stimme
der Vernunft dir zu Herzen dringen.  Hц?ltst du mich  fц?r  feig? Glaubst du
nicht, daц? ich um  deinetwillen sterben kцnnte? Hier sind wir beide  toll,
ich so gut wie  du.  Siehst du nicht das Unmцgliche? Wenn du dich faц?test!
Du bist auц?er dir.
     Klц?rchen.  Auц?er mir! Abscheulich! Brackenburg, ihr seid auц?er euch.
Da  ihr  laut den  Helden verehrtet,  ihn  Freund und  Schutz  und  Hoffnung
nanntet, ihm Vivat rieft, wenn  er kam: da stand ich in meinem Winkel, schob
das Fenster halb auf, verbarg mich lauschend, und das Herz schlug mir hцher
als euch  allen.  Jetzt schlц?gt  mir's  wieder hцher als  euch allen!  Ihr
verbergt  euch,  da es not ist,  verleugnet  ihn und fц?hlt nicht, daц?  ihr
untergeht, wenn er verdirbt.
     Brackenburg. Komm nach Hause.
     Klц?rchen. Nach Hause?
     Brackenburg. Besinne dich nur! Sieh  dich  um! Dies  sind die Straц?en,
die du nur  sonntц?glich  betratst,  durch  die du sittsam  nach  der Kirche
gingst, wo du ц?bertrieben ehrbar zц?rntest, wenn ich mit einem freundlichen
grц?ц?enden  Wort mich  zu dir  gesellte. Du stehst und redest, handelst vor
den Augen der offnen Welt; besinne dich, Liebe! wozu hilft es uns?
     Klц?rchen.  Nach  Hause! Ja, ich besinne mich. Komm,  Brackenburg, nach
Hause! Weiц?t du, wo meine Heimat ist? (Ab.)

     Gefц?ngnis,
     durch eine Lampe erhellt, ein Ruhebett im Grunde
     Egmont (allein). Alter Freund!  immer getreuer Schlaf, fliehst  du mich
auch wie die ц?brigen Freunde?  Wie willig senktest  du dich auf mein freies
Haupt  herunter und  kц?hltest wie ein schцner Myrtenkranz der  Liebe meine
Schlц?fe! Mitten unter Waffen, auf der Woge  des  Lebens,  ruht' ich  leicht
atmend,  wie ein aufquellender Knabe,  in  deinen  Armen. Wenn Stц?rme durch
Zweige und  Blц?tter sausten, Ast und  Wipfel sich knirrend  bewegten, blieb
innerst  doch der Kern des Herzens ungeregt.  Was schц?ttelt  dich nun?  was
erschц?ttert  den festen  treuen  Sinn?  Ich  fц?hl's,  es ist der Klang der
Mordaxt, die an meiner Wurzel nascht. Noch steh ich aufrecht, und ein innrer
Schauer  durchfц?hrt  mich.  Ja, sie ц?berwindet, die verrц?terische Gewalt;
sie  untergrц?bt den festen hohen Stamm,  und  eh' die  Rinde dorrt, stц?rzt
krachend und zerschmetternd deine Krone.
     Warum  denn jetzt, der du so  oft gewalt'ge Sorgen  gleich Seifenblasen
dir  vom  Haupte   weggewiesen,  warum  vermagst  du  nicht  die  Ahnung  zu
verscheuchen, die tausendfach in  dir  sich auf- und niedertreibt? Seit wann
begegnet der  Tod dir fц?rchterlich, mit dessen wechselnden Bildern, wie mit
den ц?brigen  Gestalten der gewohnten Erde, du gelassen  lebtest? - Auch ist
er's  nicht,  der  rasche  Feind, dem  die  gesunde Brust  wetteifernd  sich
entgegensehnt; der Kerker  ist's, des  Grabes Vorbild,  dem  Helden wie  dem
Feigen  widerlich.  Unleidlich  ward  mir's  schon  auf meinem  gepolsterten
Stuhle,  wenn  in  stattlicher  Versammlung  die  Fц?rsten,  was  leicht  zu
entscheiden  war, mit wiederkehrenden Gesprц?chen ц?berlegten, und  zwischen
dц?stern Wц?nden eines Saals die Balken der Decke mich erdrц?ckten. Da eilt'
ich fort, sobald es mцglich  war, und rasch aufs Pferd mit tiefem Atemzuge.
Und frisch hinaus, da wo wir hingehцren! ins Feld, wo aus der Erde dampfend
jede nц?chste  Wohltat der Natur und durch die Himmel wehend alle  Segen der
Gestirne  uns  umwittern;  wo  wir,  dem erdgebornen Riesen gleich,  von der
Berц?hrung unsrer Mutter  krц?ftiger  uns in die Hцhe reiц?en;  wo  wir die
Menschheit ganz  und  menschliche Begier  in allen  Adern  fц?hlen;  wo  das
Verlangen, vorzudringen, zu besiegen, zu erhaschen, seine Faust zu brauchen,
zu  besitzen, zu erobern, durch  die Seele des jungen Jц?gers glц?ht; wo der
Soldat sein angebornes Recht  auf alle Welt mit raschem Schritt sich anmaц?t
und  in  fц?rchterlicher Freiheit wie  ein Hagelwetter durch Wiese, Feld und
Wald verderbend streicht und keine Grenzen kennt, die Menschenhand gezogen.
     Du bist  nur  Bild,  Erinnerungstraum  des Glц?cks,  das  ich  so  lang
besessen; wo  hat dich das  Geschick  verrц?terisch hingefц?hrt? Versagt  es
dir, den nie gescheuten Tod im  Angesicht der Sonne rasch zu gцnnen, um dir
des  Grabes Vorgeschmack im ekeln Moder zu bereiten?  Wie haucht er mich aus
diesen Steinen widrig an! Schon starrt das  Leben, vor dem Ruhebette wie vor
dem Grabe scheut der Fuц?. -
     O Sorge! Sorge! die du vor der Zeit den  Mord beginnst, laц? ab! - Seit
wann  ist Egmont denn allein, so ganz allein in  dieser Welt? Dich macht der
Zweifel hц?lflos, nicht das Glц?ck. Ist die Gerechtigkeit des  Kцnigs,  der
du  lebenslang  vertrautest, ist der  Regentin Freundschaft,  die  fast  (du
darfst es  dir  gestehn), fast Liebe  war, sind  sie  auf  einmal,  wie  ein
glц?nzend  Feuerbild  der  Nacht, verschwunden? und lassen  dich allein  auf
dunkelm Pfad zurц?ck? Wird an der Spitze deiner Freunde Oranien nicht wagend
sinnen? Wird nicht ein Volk sich sammeln  und  mit anschwellender Gewalt den
alten Freund erretten?
     O  haltet,  Mauern,  die  ihr  mich  einschlieц?t,  so  vieler  Geister
wohlgemeintes Drц?ngen nicht  von mir ab;  und welcher Mut  aus meinen Augen
sonst sich  ц?ber sie  ergoц?,  der kehre  nun aus  ihren  Herzen in  meines
wieder. O ja,  sie rц?hren sich zu Tausenden!  sie  kommen!  stehen  mir zur
Seite! Ihr  frommer  Wunsch eilt dringend zu dem  Himmel, er  bittet  um ein
Wunder. Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder,  so seh ich sie
nach  Lanz und  Schwertern  greifen.  Die  Tore  spalten  sich,  die  Gitter
springen, die Mauer  stц?rzt von ihren Hц?nden  ein, und  der  Freiheit  des
einbrechenden  Tages  steigt Egmont  frцhlich  entgegen.  Wie manch bekannt
Gesicht  empfц?ngt mich jauchzend! Ach  Klц?rchen, wц?rst du Mann; so  sц?h'
ich dich gewiц? auch hier zuerst und dankte dir, was einem Kцnige zu danken
hart ist, Freiheit.

     Klц?rchens Haus
     Klц?rchen (kommt  mit einer Lampe und einem Glas Wasser aus der Kammer;
sie setzt das Glas  auf den Tisch und tritt ans Fenster).  Brackenburg? Seid
Ihr's? Was hцrt' ich denn? noch niemand? Es war niemand! Ich will die Lampe
ins Fenster  setzen, daц? er sieht, ich  wache noch, ich warte noch auf ihn.
Er hat  mir  Nachricht versprochen.  Nachricht?  Entsetzliche Gewiц?heit!  -
Egmont verurteilt!  - Welch Gericht darf ihn fordern? und sie verdammen ihn!
Der Kцnig  verdammt ihn?  oder der  Herzog? Und die Regentin entzieht sich!
Oranien  zaudert, und alle seine Freunde!  - - Ist  dies die Welt, von deren
Wankelmut,  Unzuverlц?ssigkeit  ich viel gehцrt und  nichts empfunden habe?
Ist dies die Welt?  - Wer wц?re bцs  genug, den Teuern  anzufeinden?  Wц?re
Bosheit  mц?chtig genug,  den allgemein  Erkannten schnell zu stц?rzen? Doch
ist es so - es ist - O Egmont, sicher hielt ich dich vor  Gott und Menschen,
wie in meinen Armen! Was war ich dir? Du hast mich dein genannt, mein ganzes
Leben widmete ich deinem Leben. - Was bin ich nun? Vergebens streck ich nach
der Schlinge, die dich faц?t, die Hand aus. Du hц?lflos und ich frei! - Hier
ist der Schlц?ssel zu meiner  Tц?r. An meiner Willkц?r hц?ngt mein Gehen und
mein Kommen, und dir bin ich zu nichts!  - - O bindet mich, damit  ich nicht
verzweifle; und  werft  mich in den  tiefsten Kerker, daц? ich  das Haupt an
feuchte Mauern schlage,  nach  Freiheit winsle, trц?ume, wie ich  ihm helfen
wollte, wenn  Fesseln mich  nicht lц?hmten, wie ich ihm helfen wц?rde. - Nun
bin ich frei, und in der Freiheit liegt die Angst der Ohnmacht. - Mir selbst
bewuц?t, nicht fц?hig, ein Glied nach seiner Hц?lfe zu rц?hren.  Ach leider,
auch der kleine Teil von deinem Wesen,  dein Klц?rchen, ist  wie du gefangen
und regt  getrennt  im  Todeskrampfe  nur die letzten Krц?fte.  -  Ich hцre
schleichen, husten -  Brackenburg -  er  ist's!  - Elender guter Mann,  dein
Schicksal  bleibt  sich  immer  gleich;  dein   Liebchen  цffnet   dir  die
nц?chtliche Tц?r, und ach zu welch unseliger Zusammenkunft!
     (Brackenburg tritt auf.)
     Klц?rchen. Du kommst so bleich und schц?chtern, Brackenburg! was ist's?
     Brackenburg. Durch Umwege und Gefahren  such ich  dich auf. Die groц?en
Straц?en sind besetzt; durch Gц?ц?chen und durch Winkel hab  ich mich zu dir
gestohlen.
     Klц?rchen. Erzц?hl, wie ist's?
     Brackenburg (indem er sich setzt). Ach  Klц?re,  laц?  mich weinen. Ich
liebt' ihn nicht. Er war der reiche Mann und lockte des Armen einziges Schaf
zur bessern Weide  herц?ber. Ich hab  ihn  nie verflucht; Gott hat mich treu
geschaffen und weich.  In Schmerzen floц?  mein Leben vor mir nieder, und zu
verschmachten hofft' ich jeden Tag.
     Klц?rchen. Vergiц? das,  Brackenburg! Vergiц? dich  selbst.  Sprich mir
von ihm! Ist's wahr? Ist er verurteilt?
     Brackenburg. Er ist's! ich weiц? es ganz genau.
     Klц?rchen. Und lebt noch?
     Brackenburg. Ja, er lebt noch.
     Klц?rchen. Wie willst du das versichern? - Die Tyrannei ermordet in der
Nacht   den  Herrlichen!  vor  allen  Augen  verborgen  flieц?t  sein  Blut.
ц'ngstlich im  Schlafe  liegt das  betц?ubte Volk und  trц?umt  von Rettung,
trц?umt  ihres ohnmц?chtigen  Wunsches Erfц?llung; indes unwillig ц?ber  uns
sein  Geist die Welt verlц?ц?t. Er ist  dahin! -  Tц?usche mich nicht!  dich
nicht!
     Brackenburg.  Nein  gewiц?, er  lebt!  -  Und  leider,  es bereitet der
Spanier  dem Volke, das er  zertreten  will, ein fц?rchterliches Schauspiel,
gewaltsam  jedes  Herz,  das  nach  der  Freiheit sich  regt,  auf  ewig  zu
zerknirschen.
     Klц?rchen. Fahre  fort und sprich gelassen auch  mein Todesurteil  aus!
Ich wandle den seligen Gefilden schon nц?her  und nц?her, mir weht der Trost
aus jenen Gegenden des Friedens schon herц?ber. Sag an.
     Brackenburg. Ich konnt' es an den Wachen merken, aus Reden, die bald da
bald  dorten  fielen,  daц? auf  dem  Markte  geheimnisvoll  ein  Schrecknis
zubereitet werde.  Ich schlich durch Seitenwege, durch  bekannte Gц?nge nach
meines Vettern Hause und sah aus einem Hinterfenster nach dem Markte.  -  Es
wehten Fackeln in einem weiten Kreise spanischer Soldaten hin und wider. Ich
schц?rfte  mein ungewohntes Auge, und aus der Nacht stieg mir ein  schwarzes
Gerц?st  entgegen, gerц?umig  hoch; mir grauste vor dem Anblick. Geschц?ftig
waren  viele rings umher bemц?ht, was  noch von Holzwerk  weiц? und sichtbar
war, mit schwarzem Tuch  einhц?llend zu verkleiden. Die Treppen  deckten sie
zuletzt  auch  schwarz,  ich  sah es wohl.  Sie  schienen  die  Weihe  eines
grц?ц?lichen Opfers  vorbereitend zu begehn. Ein weiц?es Kruzifix, das durch
die Nacht wie Silber blinkte, ward an der einen Seite hoch aufgesteckt.  Ich
sah,  und  sah  die  schreckliche Gewiц?heit  immer  gewisser. Noch  wankten
Fackeln  hie und da herum; allmц?hlich wichen sie  und erloschen. Auf einmal
war die scheuц?liche Geburt der Nacht in ihrer Mutter Schoц? zurц?ckgekehrt.
     Klц?rchen. Still, Brackenburg! Nun  still! Laц? diese Hц?lle auf meiner
Seele  ruhn.  Verschwunden sind  die Gespenster,  und du,  holde Nacht, leih
deinen  Mantel der  Erde,  die in sich  gц?rt; sie trц?gt  nicht lц?nger die
abscheuliche Last, reiц?t ihre tiefen  Spalten grausend auf und knirscht das
Mordgerц?st hinunter.  Und  irgendeinen Engel sendet der Gott, den  sie  zum
Zeugen ihrer Wut geschц?ndet; vor  des Boten heiliger Berц?hrung lцsen sich
Riegel und  Bande, und er umgieц?t den Freund mit mildem Schimmer; er fц?hrt
ihn durch die Nacht zur Freiheit sanft  und  still. Und  auch mein  Weg geht
heimlich in dieser Dunkelheit, ihm zu begegnen.
     Brackenburg (sie aufhaltend). Mein Kind, wohin? was wagst du?
     Klц?rchen.  Leise,  Lieber, daц? niemand erwache! daц?  wir  uns selbst
nicht wecken!  Kennst  du dies  Flц?schchen,  Brackenburg?  Ich  nahm  dir's
scherzend, als du mit ц?bereiltem Tod  oft  ungeduldig drohtest. - Und  nun,
mein Freund -
     Brackenburg. In aller Heiligen Namen! -
     Klц?rchen.  Du hinderst nichts. Tod ist  mein Teil! und  gцnne mir den
sanften schnellen Tod, den du dir selbst bereitetest.  Gib mir deine Hand! -
Im Augenblick, da ich die dunkle Pforte erцffne, aus der kein Rц?ckweg ist,
kцnnt' ich mit diesem Hц?ndedruck dir sagen, wie sehr ich dich geliebt, wie
sehr ich dich bejammert. Mein Bruder starb mir jung; dich wц?hlt' ich, seine
Stelle  zu  ersetzen.  Es widersprach dein  Herz und quц?lte sich und  mich,
verlangtest heiц? und immer heiц?er, was dir  nicht  beschieden war.  Vergib
mir und leb wohl! Laц?  mich  dich  Bruder nennen! Es ist ein Name, der viel
Namen  in  sich faц?t. Nimm die  letzte  schцne  Blume der  Scheidenden mit
treuem  Herzen ab - nimm diesen Kuц? - Der Tod vereinigt alles, Brackenburg,
uns denn auch.
     Brackenburg. So laц? mich mit dir sterben! Teile!  Teile! Es ist genug,
zwei Leben auszulцschen.
     Klц?rchen.  Bleib!  du  sollst leben, du kannst  leben. -  Steh  meiner
Mutter bei, die ohne dich  in Armut sich verzehren wц?rde.  Sei ihr, was ich
ihr  nicht  mehr  sein kann;  lebt  zusammen  und beweint  mich. Beweint das
Vaterland  und  den,  der es  allein erhalten konnte. Das heutige Geschlecht
wird diesen Jammer nicht los; die Wut der  Rache selbst vermag ihn nicht  zu
tilgen.  Lebt, ihr Armen, die Zeit  noch hin, die keine Zeit mehr  ist. Heut
steht die Welt  auf einmal  still; es  stockt ihr  Kreislauf, und  mein Puls
schlц?gt kaum noch wenige Minuten. Leb wohl!
     Brackenburg. O  lebe du  mit  uns, wie wir fц?r dich allein! Du tцtest
uns in dir, o leb  und leide. Wir wollen unzertrennlich dir zu beiden Seiten
stehn,  und  immer  achtsam  soll die Liebe den schцnsten  Trost  in  ihren
lebendigen Armen dir bereiten. Sei unser! Unser! Ich darf nicht sagen: mein.
     Klц?rchen.  Leise, Brackenburg!  Du fц?hlst nicht,  was  du rц?hrst. Wo
Hoffnung dir erscheint, ist mir Verzweiflung.
     Brackenburg. Teile  mit  den Lebendigen die  Hoffnung! Verweil am Rande
des Abgrundes, schau hinab und sieh auf uns zurц?ck.
     Klц?rchen. Ich hab ц?berwunden, ruf mich nicht wieder zum Streit.
     Brackenburg.  Du bist betц?ubt; gehц?llt in Nacht suchst du  die Tiefe.
Noch ist nicht jedes Licht erloschen, noch mancher Tag! -
     Klц?rchen. Weh! ц?ber dich Weh! Weh! Grausam zerreiц?est du den Vorhang
vor meinem Auge. Ja,  er wird grauen, der Tag! vergebens alle  Nebel um sich
ziehn  und  wider Willen  grauen! Furchtsam schaut  der Bц?rger  aus  seinem
Fenster, die Nacht  lц?ц?t einen schwarzen Flecken  zurц?ck;  er schaut, und
fц?rchterlich  wц?chst im  Lichte  das  Mordgerц?st. Neu  leidend wendet das
entweihte Gottesbild  sein flehend  Auge zum Vater  auf. Die Sonne wagt sich
nicht  hervor; sie will die Stunde nicht bezeichnen, in der er sterben soll.
Trц?ge gehn die Zeiger ihren Weg, und eine  Stunde nach der andern schlц?gt.
Halt! Halt! Nun ist  es Zeit! mich scheucht des Morgens Ahnung in das  Grab.
(Sie tritt ans Fenster, als sц?he sie sich um, und trinkt heimlich.)
     Brackenburg. Klц?re! Klц?re!
     Klц?rchen (geht nach  dem Tisch und trinkt das  Wasser).  Hier ist  der
Rest! Ich locke dich nicht nach.  Tu, was du darfst, leb wohl. Lцsche diese
Lampe still und ohne  Zaudern, ich geh zur  Ruhe. Schleiche dich sachte weg,
ziehe die  Tц?r nach  dir  zu. Still! Wecke  meine Mutter  nicht! Geh, rette
dich! Rette dich! wenn du nicht mein Mцrder scheinen willst. (Ab.)
     Brackenburg. Sie lц?ц?t mich  zum letztenmale wie immer. O kцnnte eine
Menschenseele fц?hlen, wie sie ein liebend Herz  zerreiц?en kann. Sie lц?ц?t
mich  stehn, mir  selber  ц?berlassen;  und  Tod und  Leben  ist mir  gleich
verhaц?t.  -  Allein  zu  sterben!  - Weint,  ihr  Liebenden!  Kein  hц?rter
Schicksal ist als meins! Sie teilt mit mir den Todestropfen und schickt mich
weg! von ihrer Seite weg! sie  zieht  mich nach und stцц?t  ins  Leben mich
zurц?ck. O  Egmont,  welch preiswц?rdig Los fц?llt dir! Sie geht  voran; der
Kranz  des Siegs aus ihrer Hand  ist dein, sie bringt den ganzen  Himmel dir
entgegen!   -   Und   soll   ich   folgen?  wieder  seitwц?rts  stehn?   den
unauslцschlichen  Neid  in jene  Wohnungen hinц?bertragen?  - Auf Erden ist
kein Bleiben mehr  fц?r mich, und Hцll  und Himmel bieten gleiche Qual. Wie
wц?re der Vernichtung Schreckenshand dem Unglц?ckseligen will kommen!
     (Brackenburg geht ab; das Theater bleibt einige Zeit unverц?ndert. Eine
Musik,  Klц?rchens Tod bezeichnend, beginnt;  die Lampe,  welche Brackenburg
auszulцschen  vergessen, flammt noch einigemal auf, dann erlischt sie. Bald
verwandelt sich der Schauplatz in das
     Gefц?ngnis
     Egmont  liegt schlafend auf dem Ruhebette. Es entsteht ein Gerassel mit
Schlц?sseln, und  die Tц?r  tut sich  auf. Diener mit Fackeln treten herein;
ihnen  folgt Ferdinand, Albas  Sohn, und  Silva,  begleitet von Gewaffneten.
Egmont fц?hrt aus dem Schlaf auf.)
     Egmont. Wer seid ihr? die ihr mir unfreundlich den Schlaf von den Augen
schц?ttelt. Was  kц?nden  eure  trotzigen,  unsichern  Blicke mir  an? Warum
diesen fц?rchterlichen Aufzug?  Welchen Schreckenstraum kommt ihr  der  halb
erwachten Seele vorzulц?gen?
     Silva. Uns schickt der Herzog, dir dein Urteil anzukц?ndigen.
     Egmont. Bringst du den Henker auch mit, es zu vollziehen?
     Silva. Vernimm es, so wirst du wissen, was deiner wartet.
     Egmont. So  ziemt es euch und  euerm  schц?ndlichen  Beginnen! In Nacht
gebrц?tet   und  in  Nacht  vollfц?hrt.  So   mag   diese  freche   Tat  der
Ungerechtigkeit  sich verbergen!  - Tritt kц?hn  hervor, der du  das Schwert
verhц?llt unter dem  Mantel trц?gst; hier ist mein Haupt,  das freieste, das
je die Tyrannei vom Rumpf gerissen.
     Silva.  Du irrst! Was gerechte Richter beschlieц?en,  werden  sie  vorm
Angesicht des Tages nicht verbergen.
     Egmont. So ц?bersteigt die Frechheit jeden Begriff und Gedanken.
     Silva  (nimmt  einem Dabeistehenden  das  Urteil  ab,  entfaltet's  und
liest's).  б'Im Namen des Kцnigs, und kraft besonderer von Seiner Majestц?t
uns  ц?bertragenen  Gewalt, alle seine  Untertanen, wes  Standes  sie seien,
zugleich die Ritter des Goldnen Vlieses zu richten, erkennen wirб' -
     Egmont. Kann die der Kцnig ц?bertragen?
     Silva.   б'Erkennen  wir,   nach  vorgц?ngiger  genauer,   gesetzlicher
Untersuchung,  dich   Heinrich  Grafen   Egmont,  Prinzen  von   Gaure,  des
Hochverrats  schuldig und sprechen das  Urteil:  daц? du  mit der Frц?he des
einbrechenden  Morgens aus dem Kerker  auf den Markt gefц?hrt und dort, vorm
Angesicht des Volks,  zur Warnung aller Verrц?ter mit dem Schwerte vom Leben
zum Tode gebracht werden sollest.  Gegeben Brц?ssel imб' (Datum und Jahrzahl
werden undeutlich gelesen, so, daц? sie der Zuhцrer nicht versteht.)
     б'Ferdinand, Herzog von Alba,
     Vorsitzer des Gerichts der Zwцlfe.б'
     Du weiц?t nun  dein Schicksal; es bleibt dir wenige Zeit, dich drein zu
ergeben, dein Haus zu bestellen und von den Deinigen Abschied zu nehmen.
     (Silva mit dem Gefolge geht ab. Es  bleibt Ferdinand und  zwei Fackeln;
das Theater ist mц?ц?ig erleuchtet.)
     Egmont (hat  eine Weile in  sich versenkt  stille gestanden und  Silva,
ohne sich umzusehn,  abgehen lassen.  Er glaubt sich  allein, und da  er die
Augen aufhebt,  erblickt er Albas Sohn).  Du stehst  und bleibst? Willst  du
mein Erstaunen, mein Entsetzen noch durch deine Gegenwart  vermehren? Willst
du  noch  etwa  die  willkommne Botschaft  deinem Vater  bringen,  daц?  ich
unmц?nnlich verzweifle? Geh! Sag  ihm! Sag ihm,  daц? er weder mich noch die
Welt belц?gt. Ihm, dem Ruhmsц?chtigen, wird man es erst hinter den Schultern
leise  lispeln, dann  laut  und lauter  sagen, und wenn er einst  von diesem
Gipfel herabsteigt, werden  tausend Stimmen es ihm  entgegenrufen! Nicht das
Wohl des Staats, nicht die Wц?rde des  Kцnigs, nicht die Ruhe der Provinzen
haben ihn hierher gebracht. Um sein selbst willen hat er Krieg geraten, daц?
der Krieger im Kriege gelte. Er hat diese ungeheure Verwirrung erregt, damit
man  seiner bedц?rfe. Und  ich  falle,  ein  Opfer seines  niedrigen Hasses,
seines kleinlichen  Neides.  Ja, ich weiц?  es,  und ich darf es  sagen; der
Sterbende, der tцdlich Verwundete  kann es sagen: mich hat der Eingebildete
beneidet; mich wegzutilgen hat er lange gesonnen und gedacht.
     Schon damals, als wir noch jц?nger mit Wц?rfeln spielten und die Haufen
Goldes, einer  nach dem  andern, von seiner  Seite zu mir herц?bereilten, da
stand  er  grimmig,  log  Gelassenheit,  und  innerlich  verzehrte  ihn  die
ц'rgernis, mehr  ц?ber  mein Glц?ck als ц?ber seinen  Verlust. Noch erinnere
ich  mich  des  funkelnden  Blicks, der verrц?terischen Blц?sse, als  wir an
einem цffentlichen Feste vor vielen tausend Menschen um die Wette schossen.
Er  forderte  mich  auf,  und  beide  Nationen  standen;  die  Spanier,  die
Niederlц?nder wetteten und wц?nschten. Ich ц?berwand ihn; seine Kugel irrte,
die meine traf; ein lauter  Freudenschrei  der Meinigen durchbrach die Luft.
Nun  trifft  mich  sein  Geschoц?. Sag  ihm, daц? ich's  weiц?, daц? ich ihn
kenne,  daц? die  Welt jede Siegszeichen  verachtet,  die ein kleiner  Geist
erschleichend  sich aufrichtet. Und du! wenn einem Sohne mцglich  ist,  von
der Sitte des Vaters  zu  weichen,  ц?be beizeiten die Scham, indem  du dich
fц?r den schц?mst, den du gerne von ganzem Herzen verehren mцchtest.
     Ferdinand.  Ich  hцre  dich  an,  ohne  dich  zu  unterbrechen!  Deine
Vorwц?rfe   lasten  wie  Keulschlц?ge  auf  einem  Helm;   ich  fц?hle   die
Erschц?tterung, aber ich bin  bewaffnet. Du triffst mich, du verwundest mich
nicht;  fц?hlbar  ist mir allein der Schmerz, der mir  den  Busen zerreiц?t.
Wehe mir! Wehe!  Zu  einem solchen Anblick bin ich  aufgewachsen,  zu  einem
solchen Schauspiele bin ich gesendet!
     Egmont. Du brichst in Klagen aus? Was rц?hrt,  was bekц?mmert dich? Ist
es eine spц?te  Reue,  daц? du der schц?ndlichen Verschwцrung deinen Dienst
geliehen?  Du bist  so jung und  hast ein glц?ckliches Ansehn. Du  warst  so
zutraulich, so  freundlich gegen  mich.  Solang  ich dich  sah, war ich  mit
deinem Vater versцhnt. Und ebenso verstellt, verstellter als  er, lockst du
mich in  das Netz. Du bist der Abscheuliche! Wer  ihm traut,  mag er  es auf
seine Gefahr tun;  aber  wer fц?rchtete Gefahr, dir zu vertrauen?  Geh! Geh!
Raube mir nicht die wenigen Augenblicke! Geh, daц? ich mich sammle, die Welt
und dich zuerst vergesse! -
     Ferdinand. Was soll ich dir sagen? Ich stehe und sehe dich an, und sehe
dich nicht, und fц?hle mich nicht. Soll ich mich entschuldigen? Soll ich dir
versichern, daц? ich  erst spц?t,  erst  ganz  zuletzt des  Vaters Absichten
erfuhr,  daц? ich  als ein gezwungenes, ein lebloses Werkzeug seines Willens
handelte? Was fruchtet's,  welche Meinung du  von mir  haben magst? Du  bist
verloren;  und ich Unglц?cklicher  stehe nur da,  um dir's zu versichern, um
dich zu bejammern.
     Egmont. Welche sonderbare Stimme, welch ein unerwarteter Trost begegnet
mir  auf  dem Wege zum Grabe? Du, Sohn meines ersten,  meines  fast einzigen
Feindes, du bedauerst mich, du bist nicht unter meinen Mцrdern? Sage, rede!
Fц?r wen soll ich dich halten?
     Ferdinand. Grausamer Vater! Ja ich erkenne  dich  in diesem Befehle. Du
kanntest  mein  Herz,  meine Gesinnung,  die du  so  oft  als Erbteil  einer
zц?rtlichen Mutter schaltest. Mich dir gleich  zu  bilden,  sandtest du mich
hierher.  Diesen Mann  am Rande  des gц?hnenden Grabes, in der  Gewalt eines
willkц?rlichen  Todes  zu  sehen, zwingst  du mich,  daц?  ich  den tiefsten
Schmerz  empfinde,  daц?   ich  taub   gegen   alles   Schicksal,  daц?  ich
unempfindlich werde, es geschehe mir, was wolle.
     Egmont. Ich erstaune! Fasse dich! Stehe, rede wie ein Mann.
     Ferdinand. O daц? ich ein  Weib wц?re! daц? man mir sagen  kцnnte: was
rц?hrt dich? was  ficht dich an? Sage  mir ein grцц?eres, ein  ungeheureres
ц?bel, mache mich zum Zeugen einer schrecklichern Tat; ich will dir  danken,
ich will sagen: es war nichts.
     Egmont. Du verlierst dich. Wo bist du?
     Ferdinand. Laц? diese Leidenschaft rasen, laц? mich losgebunden klagen!
Ich will nicht standhaft scheinen,  wenn  alles in  mir zusammenbricht. Dich
soll ich hier sehn? - Dich? - Es ist entsetzlich!  Du verstehst mich  nicht!
Und sollst du mich verstehen? Egmont! Egmont! (Ihm um den Hals fallend.)
     Egmont. Lцse mir das Geheimnis.
     Ferdinand. Kein Geheimnis.
     Egmont. Wie bewegt dich so tief das Schicksal eines fremden Mannes?
     Ferdinand. Nicht fremd! Du bist mir  nicht fremd. Dein Name war's,  der
mir   in   meiner   ersten   Jugend   gleich   einem   Stern   des   Himmels
entgegenleuchtete. Wie  oft  hab ich nach dir gehorcht,  gefragt! Des Kindes
Hoffnung ist der Jц?ngling, des Jц?nglings der Mann. So bist du vor mir  her
geschritten; immer vor,  und  ohne  Neid  sah ich dich vor, und  schritt dir
nach, und fort und fort. Nun hofft' ich endlich dich zu sehen, und sah dich,
und  mein Herz flog dir  entgegen. Dich hatt'  ich mir bestimmt, und wц?hlte
dich aufs neue, da ich dich sah. Nun  hofft' ich erst,  mit dir zu sein, mit
dir zu leben, dich zu fassen, dich -  Das ist nun alles  weggeschnitten, und
ich sehe dich hier!
     Egmont.  Mein  Freund,  wenn   es   dir  wohltun  kann,  so  nimm   die
Versicherung,  daц? im ersten  Augenblick mein  Gemц?t dir  entgegenkam. Und
hцre mich. Laц? uns ein  ruhiges Wort untereinander wechseln. Sage mir: ist
es der strenge, ernste Wille deines Vaters, mich zu tцten?
     Ferdinand. Er ist's.
     Egmont.  Dieses  Urteil  wц?re  nicht  ein leeres Schreckbild  mich  zu
ц?ngstigen,  durch Furcht  und Drohung zu strafen:  mich zu  erniedrigen und
dann mit kцniglicher Gnade mich wieder aufzuheben?
     Ferdinand. Nein, ach  leider nein! Anfangs schmeichelte ich  mir selbst
mit  dieser  ausweichenden  Hoffnung;  und  schon da  empfand ich  Angst und
Schmerz, dich in diesem Zustande zu sehen. Nun ist es  wirklich, ist gewiц?.
Nein, ich regiere mich nicht. Wer  gibt mir eine Hц?lfe, wer einen  Rat, dem
Unvermeidlichen zu entgehen?
     Egmont. So hцre  mich. Wenn deine Seele  so  gewaltsam dringt, mich zu
retten,  wenn du die ц?bermacht verabscheust,  die mich  gefesselt hц?lt, so
rette mich! Die Augenblicke sind kostbar. Du bist des Allgewaltigen Sohn und
selbst  gewaltig  - Laц? uns entfliehen!  Ich  kenne  die  Wege; die  Mittel
kцnnen  dir nicht  unbekannt sein. Nur  diese  Mauern,  nur  wenige  Meilen
entfernen mich von meinen Freunden. Lцse  diese Bande, bringe mich zu ihnen
und sei unser. Gewiц?, der  Kцnig dankt dir  dereinst meine Rettung.  Jetzt
ist er ц?berrascht, und vielleicht ist ihm alles unbekannt. Dein Vater wagt;
und  die Majestц?t  muц? das Geschehene billigen,  wenn sie  sich auch davor
entsetzet. Du denkst?  O denke  mir den Weg der  Freiheit  aus! Sprich,  und
nц?hre die Hoffnung der lebendigen Seele.
     Ferdinand. Schweig!  o  schweige! Du vermehrst mit  jedem  Worte  meine
Verzweiflung. Hier  ist  kein Ausweg,  kein Rat, keine Flucht. - Das  quц?lt
mich, das greift und faц?t mir wie mit Klauen die Brust. Ich habe selbst das
Netz  zusammengezogen; ich kenne die strengen festen Knoten; ich weiц?,  wie
jeder Kц?hnheit, jeder List die Wege verrennt sind; ich fц?hle mich  mit dir
und mit allen andern  gefesselt.  Wц?rde ich klagen, hц?tte ich  nicht alles
versucht? Zu  seinen  Fц?ц?en  habe ich  gelegen, geredet  und  gebeten.  Er
schickte mich hierher, um alles, was von Lebenslust und Freude mit mir lebt,
in diesem Augenblicke zu zerstцren.
     Egmont. Und keine Rettung?
     Ferdinand. Keine!
     Egmont  (mit  dem Fuц?e stampfend).  Keine Rettung! - - Sц?ц?es  Leben!
schцne freundliche Gewohnheit  des  Daseins  und Wirkens! von dir  soll ich
scheiden! So gelassen  scheiden!  Nicht im  Tumulte der Schlacht,  unter dem
Gerц?usch der  Waffen,  in der Zerstreuung  des Getц?mmels  gibst du mir ein
flц?chtiges Lebewohl; du nimmst  keinen eiligen Abschied, verkц?rzest  nicht
den  Augenblick der Trennung. Ich soll deine Hand fassen, dir noch einmal in
die Augen sehn, deine Schцne,  deinen Wert recht lebhaft  fц?hlen und  dann
mich entschlossen losreiц?en und sagen: Fahre hin!
     Ferdinand Und ich soll daneben  stehn, zusehn, dich nicht halten, nicht
hindern kцnnen!  O  welche Stimme reichte zur Klage!  Welches  Herz flцsse
nicht aus seinen Banden vor diesem Jammer?
     Egmont. Fasse dich!
     Ferdinand. Du  kannst  dich  fassen,  du kannst entsagen,  den schweren
Schritt an der  Hand der Notwendigkeit heldenmц?ц?ig gehn. Was kann ich? Was
soll ich? Du ц?berwindest dich selbst und uns; du ц?berstehst; ich ц?berlebe
dich  und mich selbst. Bei der  Freude des  Mahls  hab  ich  mein  Licht, im
Getц?mmel der Schlacht meine Fahne verloren. Schal, verworren, trц?b scheint
mir die Zukunft.
     Egmont. Junger Freund, den ich durch ein sonderbares Schicksal zugleich
gewinne und verliere, der fц?r  mich die Todesschmerzen empfindet, fц?r mich
leidet,  sieh mich in  diesen Augenblicken an;  du verlierst mich nicht. War
dir mein  Leben ein Spiegel,  in welchem du dich gerne betrachtetest: so sei
es auch mein Tod. Die Menschen  sind nicht nur zusammen, wenn  sie beisammen
sind; auch der Entfernte, der Abgeschiedene lebt uns. Ich lebe dir, und habe
mir genug gelebt. Eines jeden Tages hab ich mich gefreut;  an jedem Tage mit
rascher Wirkung meine Pflicht getan, wie mein  Gewissen mir  sie zeigte. Nun
endigt sich das Leben, wie es sich frц?her, frц?her, schon auf dem Sande von
Gravelingen hц?tte  endigen kцnnen.  Ich hцre auf zu leben; aber ich  habe
gelebt. So leb auch du,  mein Freund, gern und mit Lust, und scheue den  Tod
nicht.
     Ferdinand. Du hц?ttest dich fц?r uns erhalten kцnnen, erhalten sollen.
Du hast dich selber getцtet. Oft hцrt' ich, wenn  kluge Mц?nner ц?ber dich
sprachen, feindselige, wohlwollende,  sie  stritten lang ц?ber deinen  Wert;
doch  endlich  vereinigten sie  sich,  keiner  wagt'  es  zu  leugnen, jeder
gestand: ja, er wandelt einen gefц?hrlichen Weg. Wie oft wц?nscht' ich, dich
warnen zu kцnnen! Hattest du denn keine Freunde?
     Egmont. Ich war gewarnt.
     Ferdinand. Und wie ich punktweise alle  diese Beschuldigungen wieder in
der  Anklage fand, und  deine Antworten! Gut genug, dich  zu  entschuldigen;
nicht triftig genug, dich von der Schuld zu befreien -
     Egmont. Dies sei beiseite gelegt.  Es  glaubt der Mensch sein Leben  zu
leiten, sich selbst zu fц?hren; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach
seinem  Schicksale  gezogen. Laц? uns darц?ber nicht sinnen; dieser Gedanken
entschlag ich mich leicht - schwerer der Sorge  fц?r dieses  Land! doch auch
dafц?r  wird gesorgt sein. Kann mein Blut fц?r  viele flieц?en, meinem Volke
Friede bringen, so flieц?t es willig. Leider wird's nicht so werden. Doch es
ziemt  dem Menschen, nicht mehr  zu grц?beln, wo er  nicht mehr wirken soll.
Kannst  du die  verderbende Gewalt deines Vaters aufhalten, lenken, so tu's.
Wer wird das kцnnen? - Leb wohl!
     Ferdinand. Ich kann nicht gehn.
     Egmont. Laц? meine Leute dir aufs  beste empfohlen sein!  Ich habe gute
Menschen zu Dienern; daц?  sie  nicht zerstreut,  nicht unglц?cklich werden!
Wie steht es um Richard, meinen Schreiber?
     Ferdinand.  Er ist  dir vorangegangen. Sie  haben ihn als Mitschuldigen
des Hochverrats enthauptet.
     Egmont.  Arme  Seele!  -  Noch eins,  und dann leb wohl, ich kann nicht
mehr. Was auch den Geist  gewaltsam beschц?ftigt, fordert die Natur  zuletzt
doch  unwiderstehlich  ihre Rechte;  und  wie  ein  Kind,  umwunden von  der
Schlange, des erquickenden Schlafs genieц?t,  so  legt der  Mц?de sich  noch
einmal vor der Pforte des Todes nieder  und  ruht tief aus,  als ob er einen
weiten Weg zu wandern hц?tte. - Noch eins - Ich kenne ein Mц?dchen; du wirst
sie nicht verachten, weil sie  mein war. Nun ich sie dir empfehle, sterb ich
ruhig. Du bist ein edler Mann;  ein Weib, das den findet, ist geborgen. Lebt
mein alter Adolf? ist er frei?
     Ferdinand. Der muntre Greis, der Euch zu Pferde immer begleitete?
     Egmont. Derselbe.
     Ferdinand. Er lebt, er ist frei.
     Egmont. Er weiц?  ihre Wohnung; laц? dich von ihm fц?hren  und lohn ihm
bis an sein Ende, daц? er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigt. - Leb wohl!
     Ferdinand. Ich gehe nicht.
     Egmont (ihn nach der Tц?r drц?ngend). Leb wohl!
     Ferdinand. O laц? mich noch!
     Egmont. Freund, keinen Abschied.
     (Er begleitet Ferdinanden bis an die  Tц?r und reiц?t sich dort von ihm
los. Ferdinand, betц?ubt, entfernt sich eilend.)
     Egmont  (allein). Feindseliger  Mann!  Du  glaubtest  nicht, mir  diese
Wohltat durch deinen Sohn zu erzeigen. Durch ihn bin ich der Sorgen los  und
der  Schmerzen,  der  Furcht  und  jedes  ц?ngstlichen  Gefц?hls.  Sanft und
dringend fordert  die  Natur  ihren  letzten  Zoll. Es  ist  vorbei,  es ist
beschlossen! und was die letzte Nacht mich ungewiц? auf meinem Lager wachend
hielt, das schlц?fert nun mit unbezwinglicher Gewiц?heit meine Sinnen ein.
     (Er setzt sich aufs Ruhebett. Musik.)
     Sц?ц?er Schlaf! Du kommst wie ein reines Glц?ck ungebeten, unerfleht am
willigsten.  Du lцsest die Knoten der  strengen Gedanken, vermischest  alle
Bilder der Freude und des  Schmerzes;  ungehindert flieц?t der Kreis innerer
Harmonien, und eingehц?llt in gefц?lligen Wahnsinn, versinken wir und hцren
auf zu sein.
     (Er entschlц?ft;  die Musik  begleitet  seinen Schlummer. Hinter seinem
Lager scheint sich die Mauer zu erцffnen, eine glц?nzende Erscheinung zeigt
sich.  Die Freiheit in himmlischem  Gewande, von  einer Klarheit  umflossen,
ruht auf einer Wolke. Sie hat  die Zц?ge von Klц?rchen und neigt sich  gegen
den  schlafenden Helden. Sie drц?ckt  eine  bedauernde  Empfindung aus,  sie
scheint ihn zu beklagen. Bald faц?t sie sich, und mit aufmunternder Gebц?rde
zeigt sie ihm das Bц?ndel Pfeile, dann den Stab mit dem Hute. Sie heiц?t ihn
froh sein, und indem  sie ihm  andeutet, daц?  sein  Tod den  Provinzen  die
Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und  reicht ihm einen
Lorbeerkranz, Wie  sie sich  mit  dem Kranze dem Haupte  nahet, macht Egmont
eine Bewegung, wie  einer, der sich im Schlafe regt, dergestalt, daц? er mit
dem Gesicht  aufwц?rts gegen sie  liegt. Sie  hц?lt den  Kranz ц?ber  seinem
Haupte  schwebend:  man hцrt ganz von  weitem eine  kriegerische Musik  von
Trommeln und  Pfeifen: bei dem  leisesten  Laut derselben  verschwindet  die
Erscheinung. Der Schall wird  stц?rker. Egmont erwacht; das Gefц?ngnis  wird
vom Morgen mц?ц?ig erhellt.  Seine erste  Bewegung ist,  nach dem Haupte  zu
greifen: er steht  auf und  sieht sich  um, indem er die Hand auf dem Haupte
behц?lt.)
     Verschwunden ist  der Kranz! Du schцnes Bild, das Licht  des Tages hat
dich verscheuchet!  Ja sie waren's, sie waren vereint, die beiden sц?ц?esten
Freuden meines Herzens. Die gцttliche Freiheit, von meiner Geliebten borgte
sie  die  Gestalt; das  reizende  Mц?dchen  kleidete sich  in  der  Freundin
himmlisches  Gewand. In einem ernsten  Augenblick erscheinen sie  vereinigt,
ernster  als lieblich.  Mit blutbefleckten Sohlen  trat sie vor mir auf, die
wehenden  Falten  des Saumes mit Blut befleckt. Es war mein  Blut und vieler
Edeln  Blut. Nein, es ward nicht umsonst vergossen. Schreitet durch!  Braves
Volk! Die Siegesgцttin fц?hrt dich an!  Und wie das Meer durch  eure Dц?mme
bricht, so brecht,  so reiц?t den Wall  der  Tyrannei  zusammen und schwemmt
ersц?ufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaц?t, weg!
     (Trommeln nц?her.)
     Horch!  Horch! Wie oft rief mich  dieser Schall zum freien Schritt nach
dem Felde des Streits  und des  Siegs! Wie munter  traten die Gefц?hrten auf
der  gefц?hrlichen, rц?hmlichen  Bahn! Auch ich schreite  einem  ehrenvollen
Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe fц?r die  Freiheit, fц?r die ich
lebte und focht und der ich mich jetzt leidend opfre.
     (Der  Hintergrund wird  mit einer Reihe  spanischer  Soldaten  besetzt,
welche Hellebarden tragen.)
     Ja, fц?hrt sie  nur zusammen! Schlieц?t eure Reihen, ihr schreckt  mich
nicht. Ich bin gewohnt, vor Speeren gegen Speere zu stehn und, rings umgeben
von dem drohenden Tod, das mutige Leben nur doppelt rasch zu fц?hlen.
     (Trommeln.)
     Dich schlieц?t der Feind  von  allen Seiten ein! Es blinken  Schwerter;
Freunde, hцhern Mut! Im Rц?cken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder!
     (Auf die Wache zeigend.)
     Und  diese treibt  ein  hohles  Wort des Herrschers, nicht ihr  Gemц?t.
Schц?tzt eure Gц?ter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig,  wie ich
euch ein Beispiel gebe.
     (Trommeln.  Wie  er auf  die Wache los- und auf  die Hintertц?r zugeht,
fц?llt  der   Vorhang:  die   Musik  fц?llt  ein  und  schlieц?t  mit  einer
Siegessymphonie das Stц?ck.)

Популярность: 45, Last-modified: Fri, 24 Jan 2003 11:57:01 GmT